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Midcentury-Tourismus : Let’s Twist Again!

  • -Aktualisiert am

Zwischen Nostalgie und Plastik: Motels in den Wildwoods. Bild: Christoph Moeskes

Die famosen „Doo Wop Motels“ an den kilometerlangen Stränden der Wildwoods darf man in New Jersey auf keinen Fall verpassen, sie sind hinreißende Überbleibsel aus den Sechzigerjahren.

          4 Min.

          Recalculation“ sang die freundliche Frauenstimme, die böse Programmierer dereinst in das Navi gesperrt hatten. Dazu drehte sich die Bildschirmkarte New Jerseys wie ein irregewordener Kompass. Nach ein paar Minuten sang sie wieder „Recalculation“. Und wieder. Dabei wollten wir die Fahrt gar nicht neu berechnet wissen. Wir mussten einfach dauernd anhalten und Fotos machen. Die Wildwoods, das ahnten wir bereits bei unserem ersten Stopp, einem Segelboot, das aus unerfindlichen Gründen auf einem Zen-gleich geharkten Kiesparkplatz gestrandet war, waren ganz nach unserem Geschmack.

          Und es ging weiter, immer weiter. Die Wildwoods, wie die drei Ortschaften North Wildwood, Wildwood City und Wildwood Crest der Einfachheit halber genannt werden, sind lang, sehr lang. Neun Kilometer misst die schmale Barriere-Insel im Süden New Jerseys, das reicht für hundert Straßenblöcke voller wundersamer Dinge. Vor einem Eckladen war ein drei Meter hoher Strandeimer aus Beton abgestellt, die Schippe steckte schräg. Auf dem Dach eines Motels droht ein bedenklich nach vorn geneigter Pirat mit Degen nicht nur der Umgebung ringsum, sondern auch jeden Moment umzukippen.

          Die Strände der Wildwoods sind neun Kilometer lang.
          Die Strände der Wildwoods sind neun Kilometer lang. : Bild: Christoph Moeskes

          Hier waren wir richtig. Wir wurden immer richtiger. Noch einen Straßenblock, dann hatten wir unser Hotel erreicht und konnten den Navi-Geist endgültig zurück in die Flasche stopfen. Zum Glück ging das Zimmer nicht nach innen zum Pool, wo jetzt um die Mittagszeit ein paar Jungs Arschbomben übten, begleitet von niederschmetternder Neunzigerjahre-Musik. Waren wir hier wirklich in den Vereinigten Staaten? Oder hatte uns die Frau aus dem Navi klammheimlich doch nach Mallorca gelotst?

          Nein, es waren unverkennbar die USA. Die Hand fasste das Balkongeländer, der Körper reckte sich, und da lag er, der Atlantik, unermesslich weit und blau, ein Teppich von Ozean, gesäumt von einem riesigen Strand. Darauf Punkte und Doppelpunkte, Gruppen von Punkten mit Klappstühlen und Badetüchern. Propellerflugzeuge knatterten über sie hinweg und zogen Banner hinter sich her, auf denen für Bier und einen lokalen Radiosender geworben wurde.

          Doo Wop - wie die Musik, die hier in den 60ern spielte.
          Doo Wop - wie die Musik, die hier in den 60ern spielte. : Bild: Christoph Moeskes

          Wir wollten sofort die Badesachen packen und Teil dieses uramerikanischen Strandpanoramas werden. Doch halt, sagt unser eigener kleiner Reise-Navi, schwimmen kannst du später. Du verpasst Wildwoods famose „Doo Wop Motels“, wie sie leer im Mittagslicht stehen, das „Viking“, das „Gondolier“, das „Aztec“, die abgekühlten Neonlichter und die schwülstigen Geländer, die Freitreppen und die Plastikpalmen. Gut möglich, dass gerade jetzt der Pirat auf dem Dach des „Jolly Roger Motels“ umgefallen ist.

          „Doo Wop“ wurde hier geträllert und gleich ein eigener Musikstil

          Über 130 dieser Motels aus den späten Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren haben sich in den Wildwoods erhalten. Es sind hinreißende Überbleibsel des Midcentury-Tourismus, nicht vornehm und elegant wie im kalifornischen Palm Springs, sondern schnell und günstig für den wachsenden Mittelstand hochgezogen. Der drängte jetzt immer mehr an die 200 Kilometer lange Jersey Shore, vor allem aber in die Wildwoods mit ihrem drei Kilometer langen Boardwalk, den Candy Shops und Dance Halls, wo Backgroundsängerinnen Nonsense-Silben wie „Doo Wop“ trällerten und dabei einen eigenständigen Musikstil schufen.

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