Skifahren exotisch (2) : Sie fürchten nur Neid und Föhn
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Atemraubender Weitblick: Vom Sareiserjoch auf 2000 Metern Höhe blickt man auf die Berge Liechtensteins und die der gegenüberliegenden Schweiz Bild: Archiv
Die Steueroase Liechtenstein kann sich mit vielen skurrilen Superlativen schmücken. Ein olympischer Ski-Rekord ist auch darunter - und das bei nur drei Sesselliften.
Wer am Bodensee vorbei in Richtung Liechtenstein fährt, kann sich die passende Autobahn aussuchen. Entweder man löst eine Vignette für die Schweiz oder zahlt die Maut für Österreich. Kurz vor dem Fürstentum hört dann allerdings jede Autobahn auf, Liechtenstein hat keine eigene. Und das, obwohl das Land auf hundertsechzig Quadratkilometern Fläche fast so viele Einwohner wie Motorfahrzeuge beheimatet, mehr als 36000. Was schon zeigt, dass in einem der reichsten Länder der Welt, in dem es fast so viele Arbeitsplätze wie Einwohner gibt, mancher gleich mehrere Fahrzeuge besitzt und bekanntlich sind einige der exklusivsten darunter. Dabei sind etwa die Hälfte der Arbeitnehmer Pendler, im „Ländle“ selbst beträgt der Ausländeranteil dreißig Prozent, die Arbeitslosenrate drei, die Staatsverschuldung null. Liechtenstein ist eine reine Freude für Statistiker, eine Erhebung ist hier schnell gemacht. Mit Datentransfers ist das Land allerdings traditionell eher zurückhaltend, hat in einer Reihe von Abkommen der vergangenen Monate aber Besserung gelobt.

Redakteur im Feuilleton.
Beim Grenzübertritt fragt man sich angesichts der durchwinkenden Zöllner, was genau bei der Einfahrt in das Steuerparadies kontrolliert werden soll. Liechtenstein ist zwar kein Mitglied der EU, da es aber wie die Schweiz zum Schengenraum gehört, werden lediglich Warenkontrollen vorgenommen, nur in Verdachtsfällen sind Personenkontrollen erlaubt. Hinter der Grenze bei Feldkirch wird dann der Dieselsprit teuer, der Literpreis in Franken ausgezeichnet, und auch sonst haben die Preise Schweizer Niveau. Die Autokennzeichen sind schwarz mit weißer Schrift, wie beim Schweizer Militär, aber alle Straßenschilder sind in deutscher Sprache beschriftet, der einzigen Amtssprache des Fürstentums. Das schafft zunächst ein unerwartet vertrautes Gefühl.
Die Diskretion hat die Architektur verschandelt
Was passieren würde, wenn Liechtenstein, dieses ausschließlich von Binnenländern umgebene Binnenland, von einer, Gott behüte, feindlichen Macht angegriffen würde, weiß kein Mensch. Das sechstkleinste Land der Welt hat schon seit hundertfünfzig Jahren keine Soldaten mehr, und mit der Schweiz zumindest, mit dem es eine Zollunion verbindet, gibt es kein Interventionsabkommen. Das alles ist sehr exotisch, beflügelt die Phantasie - und steht in auffälligem Kontrast zur konservativen Grundhaltung der Liechtensteiner. Ihre Staatsform ist die „konstitutionelle Erbmonarchie auf demokratischer und parlamentarischer Grundlage“. Sie macht den Fürst zum mächtigsten Monarchen Europas und räumt ihm zum Beispiel das Recht ein, Richter und Gesetze durch ein Veto zu verhindern oder in Ausnahmefällen Notverordnungen zu erlassen. Andererseits kann das Volk unter bestimmten Voraussetzungen den Fürsten absetzen. Nach der jüngsten Umfrage liegt die Zustimmung aber noch bei mehr als sechzig Prozent.
Auf der Landstraße fahren wir an einem Rechenmaschinen-Museum und der unter Handwerkern weltweit geschätzten Hilti AG vorbei. Man unterschätzt Liechtenstein gewöhnlich als Industrieland, etwa vierzig Prozent der Beschäftigten sind in der maschinellen Produktion tätig, das ist Europaspitze, erst an zweiter und dritter Stelle kommen die Finanz- und allgemeinen Dienstleistungen.