Hohe Tannen weisen die Sterne
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Männchen, aus Steinen gebaut: auf dem Gipfel der Hohen Reisch im Südtiroler Sarntal, wo die „Stoanernen Mandln“ stehen Bild: Mauritius
Eine Schneeschuhwanderung zu den „Stoanernen Mandln“ im Südtiroler Sarntal ist zauberhaft – und zugleich eine schauderhafte Reise in die dunkle Zeit der Hexenverfolgung.
Die goldenen Nadeln der Lärchen übersäen den ersten Schnee der letzten Novembertage, so, als habe der späte Herbst vor dem frühen Winter die Waffen gestreckt. Nur ein zartes Krachen ist unter den Füßen zu hören, während wir uns mit den Schneeschuhen weiter hoch kämpfen. Zudem das Rauschen der Wipfel, das Schwappen des Flügelschlags einer Alpendohle, die über unseren Köpfen vorüberzieht. Raus aus dem Wald, über die Almen. „Da“, sagt Gisela Schneider und zeigt auf eine Bergkuppe, „die Mandln.“
Eigentlich ist der Gipfel mehr eine Kuppe, eigentlich heißt er Hohe Reisch, aber alle sagen nur: die Stoanernen Mandln – die Männchen aus Stein. Wir gehen die letzten Schritte, vorbei an Latschengestrüpp, durch Dutzende Steinpyramiden hindurch. Sie wirken wie biblisch erstarrte Soldaten eines verzauberten Heeres. Gleichzeitig schauderhaft lebendig, als beobachteten sie uns, so wie die Dohle, die sich auf dem Gipfelkreuz niedergelassen hat. Graues Gewölk verhindert den Blick in die Ferne. Die ältesten der Pyramiden stammen aus der Steinzeit, sagen sie unten im Dorf, in Sarnthein. Hirten hätten sie wohl zur Orientierung aufgestellt. Oder aus bloßem Zeitvertreib. Im Mittelalter, sagen die Dorfleute, hätten sich zwischen den Steinpyramiden bei Vollmond als Hexen verschriene Frauen zu ekstatischen Tänzen verabredet. Kräuterweiber, Außenseiterinnen.
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