Augen zu und los!
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Ein Gefühl für die Stadt bekommen: am Tastmodell von Bamberg Bild: Pia Volk
Blind Date in Nordbayern: Wenn Sehende mit Sehbehinderten auf Reisen gehen, ergibt das für beide Seiten eine vollkommen neue Sicht auf die Dinge.
Als Blinde kann man hervorragend Autoscooter fahren“, sagt Saskia Welty. „Es geht ja darum, zusammenzustoßen.“ Wir stehen an einem Rummelplatz in Forchheim, der gerade aufgebaut wird. Ich beschreibe Saskia, was sie nicht sehen kann: Schlechte Airbrushs von Frauen mit Brüsten so groß, dass sie nach vorne umfallen müssten; Rennautos mit einem Auspuff, der nach Raketenantrieb aussieht. „Man muss aber gut auf seine Nackenmuskulatur aufpassen.“ Andererseits ist es bei Saskia auch nicht dramatisch, wenn sie verspannt ist, ihr Freund ist Physiotherapeut – und ebenfalls blind.
„In fast jeder Reisegruppe mit Sehbehinderten gibt es mindestens einen Masseur oder Physiotherapeut“, sagt Gisela Moser lachend. Sie reist schon seit fast zehn Jahren mit Reisegruppen, die zur Hälfte aus Sehbehinderten und zur Hälfte aus Sehenden besteht, durch Europa. Statistiken zufolge leben in Deutschland mindestens 600 000 sehbehinderte Menschen – als sehbehindert gilt, wer weniger als 30 Prozent sieht. Schätzungen gehen aufgrund von zunehmender Altersblindheit und Spätfolgen von Diabetes aber von bis zu 1,2 Millionen aus. Das Konzept der Reisen ist einfach: Sehende führen die, die es nur noch wenig können. Dafür zahlen sie weniger. Alle sind Reisegäste, kein Sehender ist ehrenamtlicher Helfer, Pflegerin oder dergleichen. Warum sollte man das als Sehender tun? habe ich mich gefragt, und nun stehe ich mit Saskia vor dem Autoscooter und finde es schade, dass er noch nicht in Betrieb ist, sonst hätten wir fahren können, mit den Blinden am Steuer.
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