Die Journalistin Sonya Winterberg lebt mit ihrer Familie seit vielen Jahren in Kanada und ist begeistert von ihrer neuen Heimat. Ihre „Gebrauchsanweisung“ gleicht einer Reise durch das riesige Land, und man folgt ihr gern. Auch düstere Zeiten lässt sie nicht aus, erzählt etwa von den Residential Schools, Internate, in die die Kinder der „First Nations“ verschleppt wurden. Was das Buch so lesenswert macht, ist die Mischung aus Information und Anekdoten. Angenehm sei die Eigenschaft der Kanadier, nicht auf ihr Recht zu pochen, sondern Rücksicht zu nehmen. So nennt sie die Aufforderung eines Politikers, in der Pandemie auf Ausflugsparkplätzen nur jeden zweiten Platz zu belegen. Keine Vorschrift, nur der Wunsch. Und es habe funktioniert. Augenzwinkernd spielt sie mit Klischees, etwa der endlosen Weite des Landes. Ausgenommen Prinz Edwards Island, mit fünfundzwanzig Einwohnern pro Quadratkilometer geradezu dicht besiedelt. Um Nationalparks und Tiere geht es auch, aber mehr doch um Alltägliches. Sie futtert sich durch die Nationalgerichte: Hummer am Meer, Bagels in Montreal, überall sonst geht man zu Tim Hortons, für Donuts. Und was den Hummer betrifft: Den gab es an der Küste als Schulspeise, auch wenn die Kinder viel lieber Wurstbrötchen wollten. Ob gegen diesen Wunsch ausgerechnet Lappentang die Lösung ist, eine schlabbrige Algenart? Nur von Einheimischen geschätzt wird Poutine: Pommes, quietschige Käsewürfel und eine braune Sauce. Zu lesen gibt es auch eine Tour durch die kanadische Musikszene, von Céline Dion bis Leonard Cohen, von Glenn Gould bis Justin Bieber – und oft erkennt man beschämt, wie viele Künstler man in den Vereinigten Staaten verortet hatte.
„Gebrauchsanweisung für Kanada“ von Sonya Winterberg. Piper Verlag, München 2021. 224 Seiten. Broschiert, 15 Euro.