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Sehnsucht nach der Sowjetunion

Text und Fotos von ANDREA DIENER

24. April 2020 · Vor dreißig Jahren erklärte sich die Republik Transnistrien für unabhängig. Anerkannt wird sie seitdem von niemandem – willkommen in einen Staat, den es gar nicht gibt und dem das gar nichts ausmacht.

Wie überquert man eine Grenze, die es gar nicht gibt? Von moldauischer Seite aus gesehen, fließt da ein Fluss, der Dnjestr, dann kommt noch mehr Territorium der Republik Moldau, dann stößt das Land irgendwann an die Ukraine. Fragt man jedoch die Menschen, die zwischen Dnjestr und Ukraine leben, so sieht deren Landkarte ganz anders aus. Sie leben nicht in Moldau, sondern in Transnistrien, einem schmalen Grenzstreifen, der gern ein eigener Staat sein möchte. Und je nach politischer Interessenslage gibt es diesen Staat, oder es gibt ihn nicht.  

In der Praxis sieht das so aus, dass man aus der Republik Moldau nie ausreist, bevor man in Transnistrien einreist. Moldau hat hier keine Grenzanlage aufgebaut, weil das bedeuten würde, diese Grenze anzuerkennen. Es gibt keine Passkontrolle und keine Zollbeamten. Es gibt nur einen schlecht getarnten Panzer, der hier zufällig in einer Böschung herumsteht und so tut, als sei er nicht da. Die nicht stattfindende Ausreise aus Moldau machen die transnistrischen Behörden auf der anderen Seite aber mit großem Aufwand und heiligem Ernst wieder wett. Die Pässe unserer Gruppe werden von einem Mann in der Uniform eines Staates, den es nicht gibt, begutachtet, die amerikanischen Pässe – also die des imperialistischen Klassenfeinds – werden gleich eingesammelt und extra skeptisch beäugt. Dann müssen wir alle einzeln an einem Schalter vortreten und uns von weiteren Uniformierten mit regloser Miene mustern lassen. Wir werden angeschaut, unsere Pässe werden angeschaut, als seien wir und unsere Pässe irgendwelche windigen Konstrukte – und nicht etwa der Staat, in den wir gerade einreisen.

Weil Transnistrien bei aller Liebe zur Grenzformalität aber keine Pässe stempeln darf, bekommt man eine Art Kassenzettel, auf dem Ein- und Ausreisedatum verzeichnet sind. Diese Daten sollte man am besten an Ort und Stelle prüfen, man darf seine zugewiesene Zeit nämlich nicht unter- oder überschreiten. Außerdem darf man den Zettel nicht verlieren. Sonst drohen die Konsequenzen eines Staates, der seine Staatsmacht an allen Ecken und Enden beweisen muss, aber selbst so gut wie nicht angreifbar ist, weil es ihn ja nicht gibt. Dann haben wir zwei Nächte vor uns und gehören damit zum sehr exklusiven Club der Menschen, die Transnistrien einen touristischen Besuch abgestattet haben. Willkommen in der – wie sie offiziell heißt – Pridnestrowischen Moldauischen Republik!
Ein Konzern fürs ganze Land: Supermarktfiliale der Kette Sheriff.
Ein Konzern fürs ganze Land: Supermarktfiliale der Kette Sheriff.
Ein Konzern fürs ganze Land: Supermarktfiliale der Kette Sheriff.

Besonders lange braucht man nicht, um sich kleine Land anzuschauen, dessen Fläche 1,3-mal dem Saarland entspricht und das immerhin Gründungsmitglied der Gemeinschaft nicht anerkannter Staaten ist. Zu ihr gehören auch die illustren Bruderländer Nagornyj Karabach, Abchasien und Südossetien, die sich ihre Unabhängigkeit alle gegenseitig anerkennen, wenn es schon sonst niemand tut. Falls überhaupt, dann möchte Transnistrien bitte wenigstens Russland beitreten, am allerliebsten aber der untergegangenen Sowjetunion – optisch zumindest, denn hier werden die Panzerdenkmäler, die sozialistischen Reliefs und die Hammer-und-Sichel-Plaketten, die die Hauptstadt Tiraspol zieren, noch liebevoll poliert. Strukturell hingegen wird Transnistrien von einem alles beherrschenden Konzern regiert, der sich „Sheriff“ nennt. Dementsprechend heißt hier alles Sheriff, die Supermärkte, die Tankstellen, der Mobilfunk, ein Fernsehsender, das Fußballstadion und die Mannschaft, Sheriff Tiraspol, die im Sheriff-Stadion spielt. Nur die Straßen heißen noch nicht Sheriff. Wie in jeder sozialistischen Stadt, die etwas auf sich hält, gibt es eine Strada Karla Marksa, die ordnungsgemäß zwischen der Karla Liebknechta und der Rosa Luksemburga liegt, was vermutlich irgendein Zentralkomitee für Städtebau irgendwann so festgelegt hat.

Fragt man die Transnistrier – in unserem Fall sind das Dmitri und Maria, die jungen Inhaber des Tourismusunternehmens Go Transnistria –, so erklären sie uns in perfektem Englisch, das Dmitri an der Moskauer Diplomatenschule gelernt hat, die Sache mit dem Sheriff so: Nachdem sich Transnistrien nach einem kurzen, aber heftigen militärischen Konflikt im Juni 1990 für unabhängig erklärt hatte, wollte niemand mit dem fragilen Gebilde Geschäfte machen, Strukturen gab es keine. Also machte man das eben selbst, von Staats wegen sozusagen, irgendjemand habe sich ja kümmern müssen. Man kann es aber auch so erzählen, dass zwei ehemalige KGB-Männer den Konzern gründeten, der mit mafiöser Gründlichkeit für Ordnung auf den Straßen sorgte. Wer in Transnistrien etwas werden will, der kommt an Sheriff nicht vorbei, wirtschaftlich nicht und politisch schon gar nicht. Sheriff war aus der Not geboren, stieß in ein Vakuum und denkt nun gar nicht daran, seine Macht jemals wieder abzugeben.

Gibt es auch nur hier: Ein Denkmal für den berühmten Feldherrn Baron von Münchhausen und seine gefeierten militärischen Erfolge.
Gibt es auch nur hier: Ein Denkmal für den berühmten Feldherrn Baron von Münchhausen und seine gefeierten militärischen Erfolge.
Gibt es auch nur hier: Ein Denkmal für den berühmten Feldherrn Baron von Münchhausen und seine gefeierten militärischen Erfolge.

Die wichtigste Sehenswürdigkeit Transnistriens, die wir sogleich aufsuchen, ist die Festung Bender in der Nähe der Hauptstadt Tiraspol. Für ein paar hundert Jahre gehörte das Fort zum Osmanischen Reich, das hier seinen nördlichsten Punkt markierte. Auf der anderen Seite des Dnjestr breitete sich Russland aus. Zwischendurch kam es noch zu einem Handgemenge mit schwedischen Truppen, was als „Handgemenge von Bender“ in die Geschichtsbücher einging, obwohl dem schwedischen König Karl XII. dabei genaugenommen ein Ohr abgeschossen wurde. Die Festung Bender wurde mit viel Phantasie rekonstruiert, was bei historischen Festungen eher kein Kompliment ist, sah vermutlich im Originalzustand deutlich weniger sauber und betoniert aus, und Hochzeiten werden auch erst seit neuerem darin gefeiert. Außerdem gibt es ein Denkmal für den Baron Münchhausen, und zwar das vermutlich einzige, das nicht seinen Lügengeschichten, sondern seinen Verdiensten als Feldherr gewidmet ist. Wer hätte gedacht, dass er es in Transnistrien zu solchen Ehren bringt? Dennoch gibt es auch eine Kanonenkugel, auf der man reiten und sich dabei fotografieren lassen kann, wovon die Handvoll Touristen eifrig Gebrauch macht. Ob diese berühmte Lügengeschichte hier stattgefunden haben soll oder woanders, ist egal, man nimmt in diesem kleinen Land an Ruhm und Glanz mit, was geht.

Uferpromenade mit Vergnügungsschiff. Für ein paar Rubel kann man Ausflüge mit Wodka und Partymusik buchen.
Uferpromenade mit Vergnügungsschiff. Für ein paar Rubel kann man Ausflüge mit Wodka und Partymusik buchen.
Blick über den Fluss Richtung Innenstadt: Nur wenige Landgebiete jenseits des Dnjestr beansprucht Transnistrien, und sie sind Moldau bis heute ein Dorn im Auge.
Blick über den Fluss Richtung Innenstadt: Nur wenige Landgebiete jenseits des Dnjestr beansprucht Transnistrien, und sie sind Moldau bis heute ein Dorn im Auge.

Ein paar Kilometer weiter, auf der anderen Seite des Dnjestr und damit endlich wirklich transnistrisch, liegt Tiraspol. Die Mitte der Stadt ist gekennzeichnet durch ein Panzerdenkmal, prominent flackern die Ewigen Flammen, umstanden von den obligatorischen, strengen Tannen, die im Sozialismus Ernst und Würde markieren. Ebenso streng und gerade verläuft die Straße des 25. Oktober durch die Stadt, hier gibt es alles, was man braucht: das „Café Mafia“ für die örtliche Hautevolee, das für ein anständiges Mittagessen wirklich zu empfehlen ist und für abendliches Leutegucken bei ein, zwei Cocktails ebenfalls. Dazu zwei Museen, die Kinemathek, den Pionierspalast, die Stadtverwaltung, alle in sowjetischem Stil und erstaunlich gut in Schuss – und natürlich eine Filiale der moldauischen Kette Andy’s Pizza, die sich anscheinend auch schon ins nicht anerkannte Ausland ausgebreitet hat.

Ungebrochene stalinistische Pracht: Die Stadtverwaltung von Tiraspol.
Ungebrochene stalinistische Pracht: Die Stadtverwaltung von Tiraspol.
Liebevoll gepflegte Architektur aus Zeiten der Sowjetunion: Dank russischer Zuwendungen ist die Hauptstadt bestens in Schuss.
Liebevoll gepflegte Architektur aus Zeiten der Sowjetunion: Dank russischer Zuwendungen ist die Hauptstadt bestens in Schuss.
Im Gegensatz zum moldauischen Nachbarstaat mit seiner bröselnden Hauptstadt Chisinau fühlt sich Tiraspol manchmal geradezu aufstrebend an.
Im Gegensatz zum moldauischen Nachbarstaat mit seiner bröselnden Hauptstadt Chisinau fühlt sich Tiraspol manchmal geradezu aufstrebend an.

Vor dem Regierungsgebäude Oberster Sowjet steht ordnungsgemäß eine gigantische Lenin-Statue, aber an diesem Tag auch der Audi-Club Transnistrien, der sich mit mehreren älteren, kunstvoll aufgespoilerten und chromglänzenden Modellen zum Fotoshooting versammelt hat. Von den Straßen könnte man ohne weiteres essen, so sauber geht es hier zu, von der strahlend weiß gekalkten Uferpromenade auch. Ein kleiner Skatepark wird von Jungs auf Brettern befahren, ein kleines Mädchen mit Roller steht am Rand und traut sich nicht recht. Dort gibt es auch eine Brücke und einen Kwas-Stand, der den russischen Brottrunk verkauft und gerade aufmacht, weshalb sich sofort eine Schlange bildet. Auf der anderen Flussseite erstreckt sich ein Sandstrand, eine Mutter mit zwei Kindern wagt sich an diesem warmen Tag immerhin knietief ins Wasser. Auf dem Dnjestr fahren Party-Boote und bollern Russen-Diskos in die Frühlingsluft, man kann für ein paar transnistrische Rubel mitfahren und Wodka trinken. Die Rubel sollte man am besten an Ort und Stelle bar tauschen und gut kalkulieren, außerhalb des Landes sind sie wertlos, keine Bank erkennt sie an, aber als Souvenirs machen sie etwas her.

Vor dem Obersten Sowjet mit seiner Leninstatue macht der transnistrische Audi-Club zum Fotostop Halt.
Vor dem Obersten Sowjet mit seiner Leninstatue macht der transnistrische Audi-Club zum Fotostop Halt.

Wir wohnen im Hotel Russija, das, wie der Name schon sagt, ziemlich russisch ist. Alles ist ebenso sauber und ordentlich wie der Rest der Stadt. Geld und militärischen Beistand bekommt Transnistrien seit jeher von Russland, tragischerweise erkennt aber nicht einmal das Riesenland die kleine Republik an. Ein böses Gerücht sagt, dass es für den großen Bruder nicht gänzlich unpraktisch sein soll, windige Geschäfte in einen weitgehend rechtsfreien Kleinstaat auszulagern, aber das ist sicherlich nur ein böses Gerücht. Das Hotel Russija ist jedenfalls auch in dem Sinne sehr russisch, als dass es recht schick aussieht, kulinarisch aber eine Katastrophe ist. Ich verlasse am nächsten Morgen nach dem vergeblichen Versuch, zum Frühstück wenigstens einen brauchbaren, schwarzen Tee zu bekommen, fluchtartig das Gebäude und hole mir, auch das gibt es, unterwegs einen Cappuccino in einem kleinen, schicken Straßencafé mit ein paar Hockern an der Bar und einem einzelnen Tisch draußen an der Straße. Auf den ersten Blick wüsste man nicht, ob man hier in Stockholm sitzt oder in Seattle oder in einem Ex-Sowjet-Splitterstaat.

Eigentlich wollte ich zum Markt, einem herrlichen, grünen Gebäude voller Kramläden aus den Siebzigern, aber alles war zu, und ein paar sehr überzeugend aussehende, bewaffnete Herren in Volltarn bedeuteten mir, dass es hier heute nichts zu sehen gebe. Ich beschloss also, dass es heute hier nichts zu sehen gab, und entschied mich für einen Spaziergang im Pobeda-Park. Wer das erste Mal in ehemals sowjetischen Gegenden unterwegs ist, wundert sich, dass diesem Herrn Pobeda in so gut wie jeder Stadt ein Park gewidmet ist, bis man irgendwann herausfindet, dass „Pobeda“ Sieg heißt und dieser Park samt Ewiger Flamme selbstredend dem Sieg der sowjetischen Truppen über Nazi-Deutschland gewidmet ist.

Freilichtmuseum für sowjetische Freizeitgestaltung: Der obligatorische Pobeda-Park.
Freilichtmuseum für sowjetische Freizeitgestaltung: Der obligatorische Pobeda-Park.

Der Pobeda-Park in Tiraspol ist ein herrliches Freilichtmuseum alter sowjetischer Fahrgeschäfte mit erstaunlich eklektischer Musikauswahl. Eben noch tönte schwerste Russen-Symphonik über die Wasserrutschen und Tierchenachterbahnen hinweg, dann vernimmt man erstaunt diesen norwegischen Grand-Prix-Gewinner von 2009, am Kinderkarussel dröhnen Wagner-Walküren aus den Lautsprechern, dann „Heeeey Macarena“. Das berühmte Riesenrad mit den gelben Gondeln, das in Tschernobyl zum Wahrzeichen des Stillstands geworden ist, dreht hier noch munter seine Runden, und für ein paar Rubel darf ich mitfahren. Von ganz oben vermeint man das ganze Land zu überblicken: hier eine Fabrik, dort ein paar Felder, graue Wohnblocks, viele Bäume.

Am Nachmittag schauen wir uns das Umland etwas näher an. Mit unseren Guides Maria und Dmitri und einer ziemlich resoluten Fahrerin, die man sich ohne weiteres auch auf einem Traktor über Kolchosen pflügend vorstellen kann, fahren wir zuerst nach Chitcani. Mitsamt Bus geht es mit einer handbetriebenen, nur ganz leicht angerosteten Fähre über den Fluss, dann weiter auf den außerhalb der Hauptstadt gar nicht mehr so glatten und sauberen Straßen. Uns begegnet ein Pferdefuhrwerk, auf dem Bäuerinnen mit bunten Kopftüchern sitzen, und wir hängen staunend an den Busfenstern, so etwas haben wir zuletzt auf sowjetischen Propagandaplakaten der vierziger Jahre gesehen.

Der größte Leninkopf weit und breit steht vor dem Kulturhaus in Chitcani.
Der größte Leninkopf weit und breit steht vor dem Kulturhaus in Chitcani.

Chitcani war einmal eine Art Vorzeige-Großkolchose und verfügt deshalb über einen sehenswerten Kulturpalast im neoklassischen Stil mit dem größten Lenin-Kopf – der Gegend? Transnistriens? Ganz Moldaus? Wenn man einmal vor dem größten Lenin-Kopf der Welt in Ulan Ude gestanden hat, stumpft man für Lenin-Kopf-Rekorde womöglich ab. Ich habe es mir nicht genau merken können, der hier ist jedenfalls ungefähr mittelgroß, und man ist sehr stolz auf ihn. Im Kulturpalast selbst beeindruckt das Foyer mit buntem, leicht bröseligem Stuck und einer riesigen Wandmalerei des Wandmalereienmalers Ilya Bogudesko, der im Jahre 1968 allerlei Bäuerliches darstellte. Aber hier – Maria macht uns auf eine Ernteallegorie aufmerksam –, diese Figur hier ist eine als sozialistische Fruchtbringerin verbrämte Mariendarstellung. So ganz hat man den Moldauern und auch den Transnistriern in der gottlosen Zeit ihren Glauben nicht austreiben können. Sie hängten die alten Ikonen ja doch in ihre Wohnungen, dann ein Tüchlein davor, damit man sie nicht sieht, aber gebetet wurde dennoch.

Im Kulturhaus von Chitcani: Wandmalerei mit verbrämter Mariendarstellung (unten rechts).
Im Kulturhaus von Chitcani: Wandmalerei mit verbrämter Mariendarstellung (unten rechts).

Das Kloster von Noul Neamt in Chitcani, 1861 gegründet, wurde im Jahr 1962 von den Behörden geschlossen und als Krankenhaus genutzt. Ziemlich bald nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eröffnete die Klosterkirche wieder, dann folgte eine rumänischsprachige Schule für orthodoxe Priester. Kaum eines der Gebäude hier ist wirklich alt, doch der Besuch lohnt sich trotzdem, auch der freundlichen Mönche wegen, die hier inzwischen wieder eingezogen sind. Und auch des Weins wegen, den die Mönche keltern. Der Abt bittet uns in den Klosterkeller, dann wird verkostet, und es ist wirklich sehr guter Wein, den die Mönche hier produzieren, nicht zu vergleichen mit so mancher moldauischer Massenplörre.

Gleich wird sehr viel Wein getrunken werden: Mit Dmitri und dem Abt im Klostergarten Noul Neamt.
Gleich wird sehr viel Wein getrunken werden: Mit Dmitri und dem Abt im Klostergarten Noul Neamt.

Und weil wir auch noch etwas essen müssen, fahren wir nach einem Umweg über das höchste Siegesdenkmal auf dem höchsten Hügel Transnistriens zu zwei älteren Damen, die eine Tafel im Garten gedeckt haben und nun eine Herrlichkeit nach der nächsten auftragen. Brot, gefüllte Teigplunder, Suppe, eingelegte Gurken, Schüssel um Schüssel schleppen sie heran, dazu Kompott, selbstgemachten Fruchtsaft, Wein und Schnaps. Viele Transnistrier sind Selbstversorger, ohne eigenes Beet geht gar nichts, was im besten Fall dazu führt, dass engagierte Damen herrlich kochen, um sich etwas dazuzuverdienen, weil es kaum Rente auf der einen Seite und auf der anderen kaum touristische Infrastruktur gibt. Im Idealfall begibt man sich in die Hände erfahrener Guides wie Dmitri und Maria, die ziemlich gut verstanden haben, was europäische Besucher sehen und wissen wollen und die Informationen, die man überall nachlesen kann, um eine einheimische Perspektive ergänzen.

Wo die Landfrauen auftischen: Gleich wird der Tisch voller Köstlichkeiten sein.
Wo die Landfrauen auftischen: Gleich wird der Tisch voller Köstlichkeiten sein.

Nach zwei Nächten hat man das Gefühl, Transnistrien und seine Sehenswürdigkeiten einigermaßen hinreichend besichtigt zu haben. Unser Weg führt uns weiter nach Norden, in die Ukraine hinein. Die Formalitäten der Ausreise aus Transnistrien werden mit gebührendem Ernst abgewickelt und der Ausreise-Kassenzettel genauestens studiert, auch hier keine Spur von moldauischen Beamten. Die vertrauen ganz auf die ukrainischen Kollegen, die Aus- und Einreise gleichzeitig erledigen. Zwei Stunden später sind wir in Odessa und in einer anderen, sehr viel europäischeren Welt voller Cafés, funktionierenden Geldautomaten mit anerkannten Währungen, gepflegten Altbaufassaden, Touristen aus aller Welt und angenehm wenig Panzern im Straßenbild.

Informationen

Osteuropa-Reisen, die auch durch Transnistrien führen, bietet der Veranstalter Intrepid zwischen Juni und September an
(Telefon: 08024/4623300 oder www.intrepidtravel.de. Die dreizehntägige Reise durch Moldau, Transnistrien und die Ukraine kostet ab 2140 Euro ohne Flug. Ob die Reisen stattfinden können, steht noch nicht fest.

Quelle: F.A.Z.

Veröffentlicht: 24.04.2020 08:01 Uhr