Sarawak : Warte, bis es dunkel wird
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Ein Baumschnüffler. Bild: Lars Fehlandt
Phantastische Tierwesen, und wo sie wirklich zu finden sind: In den Regenwäldern Borneos verstecken sich die schönsten Erfindungen der Natur. Eine Expedition in eine bedrohte Welt.
Als der Mann am anderen Ende der Leitung anbot, „leech socks“ zu besorgen, kamen kurz Zweifel auf, ob es wirklich eine so phantastische Idee ist, tief in die Regenwälder Borneos einzutauchen, um Tiere zu beobachten. „Leech socks“, auf Deutsch Blutegelsocken, sind plastikbeschichtete Stulpen, die man in den Schuhen und über den Unterschenkeln trägt. Strenggenommen verhindern sie gar nicht, dass die Tiere an einem hochkriechen, aber man sieht sie auf ihrem Weg nach oben wenigstens und kann sie wegschnipsen. Sonst würden sie sich schon am Knöchel ansaugen. Zum ersten Mal aber blitzt am Telefon das Gefühl auf, dass es sich bei dieser Reise nach Sarawak wirklich um eine Entdeckungsreise handelt, ins Dunkel der Tropen.
Borneo ist eine Schatzinsel für Biologen, und während gerade überall die zu Recht alarmierenden Zahlen kursieren, wie viele Arten aussterben, werden hier ständig neue entdeckt. In Deutschland gibt es 21 Amphibienarten, auf Borneo allein sind bisher mehr als 180 Froscharten katalogisiert, darunter einige spektakuläre Arten, wie der nach Alfred Russel Wallace benannte Flugfrosch. „Herping“ nennen die Engländer das, wofür es auf Deutsch keinen rechten Begriff gibt: die Suche nach Amphibien und Reptilien, sei es nun als Hobby oder zu Forschungszwecken. Wir sprechen am Telefon noch über Impfungen und Mücken und darüber, dass eine in „Nobite“ und „Antibrumm“ enthaltene Substanz die Plastikteile der Kamera angreift. Wir verabredeten uns am Flughafen in Kuching, der Hauptstadt von Sarawak. Mit „leech socks“.
Tarnung ist alles
Borneo ist mehr als zweimal so groß wie Deutschland, die drittgrößte Insel der Welt. Den Norden teilen sich die beiden malaysischen Staaten Sarawak und Sabah und das kleine Sultanat Brunei, dessen Herrscherhaus es wahlweise wegen der mittelalterlichen Strafverfolgung von Homosexuellen oder wegen grotesker Zurschaustellung des eigenen Reichtums in die Schlagzeilen bringt. Der südliche und flächenmäßig größere Teil der Insel, Kalimantan genannt, gehört zu Indonesien.
In Deutschland sind Frosch, Kröte und Lurch einflussreiche Tiere: Sie können Bauvorhaben vereiteln, Der Verlauf von Autobahnen muss wegen ihrer Laichgründe verlegt werden, und nicht nur an Krötenwandertagen wird ihnen über die Straße geholfen. Der Frosch, der Schmetterling, die Biene, das weiß jedes Schulkind, sind wichtige Bio-Indikatoren und aus Politik und Kindererziehung nicht mehr wegzudenken: Die weise Kanzlerin hat einem Reporter verraten, dass ihr Lieblingstier die Kröte sei, und sogar bei Lego, im Bausatz „Lego City Nummer 60240“, gibt es inzwischen eine Figur mit Baseballmütze und Kamera, einem Geländewagen, einem Kanu und einem kleinen grünen Frosch dazu, der so groß ist, dass er genau auf eine Lego-Noppe passt. Was man in diesem Bausatz sieht, ist – vereinfacht dargestellt – das Leben von Lars Fehlandt, dem Mann mit den Blutegelstutzen. Wenn er nicht gerade mit Biologen und Botanikern oder Tierfilmern tief in die Wälder eindringt und wochenlang außerhalb des Funknetzes unter Planen in Hängematten schläft und die Sonne nicht sieht, fotografiert er Frösche. Und was ihm sonst vor die Linse läuft und kriecht und unbekannt erscheint – wie die kleine bordeauxrote Krabbe, die nach ihm benannt wurde: Geosesarma larsi, Lars’ Vampirkrabbe.