Paella in Valencia : Die reiche Kost der armen Leute
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Kein anderes Gericht der spanischen Küche ist so oft pervertiert, erniedrigt und beleidigt worden wie die Paella. Wenn man aber einmal das Original an ihrem Ursprungsort Valencia gegessen hat, ist das alles vergessen. Bild: Monica Gumm/laif
Valencia und seine Umgebung sind die Heimat eines einzigartigen kulinarischen Kulturgutes: der Paella. Wir gehen mit dem Drei-Sterne-Koch Quique Dacosta auf Spurensuche in den Feldern am Albufera-See und kochen mitten im Nationalpark das spanische Nationalgericht.
Man hört ein Kratzen, ein Schaben. Metall auf Metall, Holz auf Metall, ab und zu ein leises Ächzen, öfter noch leises Schmatzen und immer wieder seliges Seufzen. Diese Lustgeräusche sind tausendfach an jedem Sonntag in Valencia und Umgebung zu hören. Denn dann machen sich Paella-Esser über das Beste her, den Socarrat, die Kruste am Boden der großen Blechpfanne, die dem spanischen Nationalgericht seinen Namen gegeben hat. Nicht nur Kinder, auch Erwachsene tun fast alles, um eines der goldgelben, knusprigen Stücke zu bekommen.
Der alte Peugeot 306 rattert über eine schmale Straße. Wir sind umgeben von einem Meer fast unwirklichen Grüns. Es ist ein anderer Kosmos, Strand und Meer scheinen unendlich weit weg. Die Hochhäuser der Bettenburgen an der Küste von Valencia sind Miniaturen im Dunst, genauso wie die blauen und gelben Verladekräne des Hafens der Stadt. Kleine, alte Steinbrücken überspannen zahllose Kanäle. Überall wogt Reis im Wind. Die weiten Felder stehen unter Wasser, bis zum Bauch darin Bauern, die sich Meter um Meter voranarbeiten und mit der Hand wilden Reis ausreißen. Denn wilder Reis ist Unkraut für sie.
Am Steuer des Peugeots sitzt Santos Ruiz Álvarez. Er ist promovierter Agrarwissenschaftler und befasst sich am Consejo Regulador de la Denominación de Orígen del Arroz de Valencia ausschließlich mit Reis, mit Senia, Bonbon oder Bomba. Aus Santos sprudeln die Fakten über Reis nur so heraus. „Dass die Bauern den wilden Reis herausrupfen, hat einen einfachen Grund. Er würde sich sonst mit den angebauten Sorten kreuzen, und heraus käme ein Reis, der für Paella nicht zu gebrauchen ist. Anderes Unkraut können wir mit vorsichtigem Einsatz von Herbiziden unter Kontrolle bringen, wilden Reis aber nicht. Da ist Handarbeit gefragt.“ Die Bauern in der Gegend sind abhängig vom Reis. Und so fürchten sie nicht nur Wildreis, sondern auch die Unbilden des Wetters. „Heißes und feuchtes Wetter sind schlecht. Dann vermehren sich Schädlinge sehr stark. Am meisten Angst haben die Bauern vor Hagel. Ein Hagelschauer kann eine gesamte Ernte vernichten.“ Und so pilgern Hunderte von Reisbauern jedes Jahr am 29. Juli zur Ermita dels Sants de la Perra und bitten den lieben Gott, er möge es nicht hageln lassen.
Spanisches Traditionsgericht : Das Geheimnis der perfekten Paella
Reis kam wohl mit Alexander dem Großen nach Europa, er brachte ihn um 330 vor Christus aus Indien mit. In Valencia wird er seit etwa tausendzweihundert Jahren angebaut, seit der Besatzung des Landes durch die Mauren. „Weltweit gibt es 80.000 Reissorten“, doziert Santos wild gestikulierend, das Steuer des Autos außer Acht lassend. Um den Albufera-Naturpark herum baue man auf 14.000 Hektar zehn bis zwölf Sorten an. Lange nicht die gesamte Ernte bekomme die begehrte „Denominación de orígen para el arroz valenciano“, die seit 1998 existiert. „Nur dem Besten vom Besten wird das Gütesiegel einer geschützten Herkunftsbezeichnung verliehen.“