Deutschland : Ich weiß nicht, was soll es bedeuten
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Der Loreley-Felsen bei Sankt Goar ist Anlaufstelle fast aller Tagestouren auf dem Mittelrhein. Bild: dpa
Wenn das Heine noch erlebt hätte! Eine Fahrt auf dem Mittelrhein hat sich zur globalen Touristenattraktion, aber auch zur Lieblingstour deutscher Spaßbürger entwickelt.
Die „Königsbacher“ gleitet am Rheingau vorbei, und vor den Passagieren entfaltet sich das wohl deutscheste aller deutschen Panoramen: der Rhein, den Bettina von Arnim „den Garten deines Vaterlandes“ nannte. An den Ufern ziehen Weinberge vorbei, Felsen mit dunklen Wäldern und Fachwerkhäuser, die von mittelalterlichen Burgen überragt werden. Gefangen in diesem urdeutschen Bild, erinnert man sich an die Verse der Rheinromantiker, die man am liebsten zitieren würde, als folgender Satz aus den Lautsprechern des Schiffes schallt: „Migi anata ga Stahleck-jo no aru basho baka rakku o sansho shite kudasai.“
Der deutsche Seelenfluss ist längst nicht mehr nur das Sonntagsziel betagter Herrschaften, die gemeinsam die „Wacht am Rhein“ anstimmen wollen. Er ist zur globalen Touristenattraktion geworden, die nicht nur die Deutschen neu entdecken, sondern die auch bei einem internationalen Publikum hoch im Kurs steht, vor allem bei Reisenden aus Asien. Und so recken zwei Drittel der Passagiere, die an diesem Frühlingstag zwischen Neben- und Hauptsaison auf dem Fahrgastschiff „Königsbacher“ der Reederei Gilles unterwegs sind, nach der japanischen Ansage entzückt ihre Hightech-Fotoapparate, Tablets und Smartphones empor. Der Rest muss sich noch ein wenig gedulden, bevor er auf Deutsch und Englisch erfährt, dass wir gerade zu unserer Rechten an Bacharach und der Burg Stahleck vorbeigefahren sind.
„Auf dem Mittelrhein nimmt die Zahl der internationalen Gäste stetig zu“, sagt Achim Schloemer, Vorstand der Köln-Düsseldorfer Rheinschifffahrt, in deren Auftrag die „Königsbacher“ auf dem Rhein unterwegs ist. „2015 sind eineinhalb Millionen Passagiere mit uns gefahren, davon etwa die Hälfte im Mittelrheintal.“ Von diesen seien vierzig Prozent ausländische Gäste gewesen, angeführt von Japanern, Briten, Franzosen und Amerikanern. Abgesehen von Passagieren aus Deutschlands Nachbarstaaten, gingen zudem auch immer mehr Gäste aus Spanien, Italien, Russland, Indien und Brasilien an Bord. In der Hauptsaison verzeichnet die Köln-Düsseldorfer laut Schloemer hundertsechzig Abfahrten pro Tag. An Bord der „Königsbacher“ passen vierhundert Passagiere. Die Schiffe der Köln-Düsseldorfer sind etwas größer und fassen durchschnittlich sechshundert Personen. Zwölf Schiffe sind im Besitz der Gesellschaft, die eine der ältesten durchgehend börsennotierten Aktiengesellschaften der Welt ist.
Selfies mit Bockwürstchen
„Die Japaner bestellen weniger als andere Gäste“, sagt Guido Gilles, Inhaber der Reederei Gilles, die immer dann für die Köln-Düsseldorfer einspringt, wenn deren Schiffe ausgebucht sind. Dass die Japaner so wenig an Bord ordern, könnte daran liegen, dass sie sich ihre Getränke selbst mitbringen. Vor Abfahrt in Rüdesheim steigen zwei muntere Japanerinnen mit zwei stattlichen, randvoll gefüllten Kühlboxen ein. In ihnen befinden sich ausschließlich Weine umliegender Weingüter, deren Preisschilder recht stolze Summen verkünden. Ihnen folgt eine Gruppe japanischer Geschäftsmänner, die ihre Weine während der Fahrt aus kleinen Plastikschnapsgläsern verköstigen. „Deutsche Weine sind in Japan äußerst beliebt und nur sehr schwer zu bekommen“, sagt Kana Mitsuya, die in Rüdesheim lebt und Weinproben auf den Schiffen organisiert. „Im Sommer haben wir jeden Tag auf einem Schiff eine solche Probe. Der Rheingau und das Mittelrheintal sind nach München die zweitpopulärste Attraktion Deutschlands für die Japaner. Und hier dann auch Wein zu trinken und einzukaufen, das gehört einfach dazu“, sagt Mitsuya. Riesling sei bei ihren Landsleuten übrigens am beliebtesten.