
Den Tropen eine Tribüne
Von ECKHART NICKEL8. Februar 2023 · Hinter den Mauern von Galle auf Sri Lanka kann man sich wie vielleicht nirgendwo sonst in eine Blase zurück in Raum und Zeit ziehen.
Es gibt diesen Traum vom Hotel am anderen Ende der Welt, und der geht so: Wer nach langer Anreise endlich vor dem letzten wirklich nahezu unangetasteten Kolonialrefugium namens Amangalla (vormals New Oriental Hotel NOH) in Galle an der schlicht mit tiefgrün leuchtenden Topfpalmen gesäumten Treppe steht und sich mit eisgekühltem Ginger Lime zur Begrüßung auf der luftigen Veranda niederlässt, hat sich trotz der wenigen Stufen, die ihn dort von der Straße trennen, schon so weit von allem entfernt, dass es sich lohnt, seine innere Uhr auf eine neue Zeit umzustellen: GMT heißt hier übersetzt ganz einfach Galla Meditation Time. Sie erlaubt es dem Reisenden, auch und gerade weil sie bislang auf keiner gängigen Weltuhr verzeichnet ist, vollkommen aus der Zeit zu fallen.
Denn spätestens nach Betreten des makellos weißen Zauberwürfels aus dem 17. Jahrhundert erinnert so gut wie gar nichts mehr an die hässliche Gegenwart. Folglich ist es kaum nötig, das Hotel während des gesamten Aufenthalts für mehr als kurze Erkundungsgänge um die von uralten Granitmauern gesäumte Landzunge des Forts mit seinem Leuchtturm zu verlassen. Denn auch wenn sich die Umgebung der Zitadelle seit der Renovierung erstaunlich kommerzialisiert hat, ist an der ersten Adresse der Stadt in 10, Church Street, Galle Fort fast alles so geblieben wie es einst war. Wer den ikonischen Schriftzug des NOH erinnert, mag es als Schönheitsfehler empfinden, dass die prächtige Front des einstigen Garnisonsquartiers der Niederländer aus dem Jahr 1684 nun namenlos geworden ist, aber auch das ist sinnige Diskretion. So kommt der zurückhaltende Stil des Gebäudes, eine minimalistische Spielart des Tropenbarock, noch klarer zum Vorschein. Auch unter diesem Aspekt passt das Anwesen perfekt zur Aman-Familie, für die Adrian Zecha das Legende gewordene Anwesen nach nahezu viktorianisch anmutendem Werben um die Gunst seiner alten Besitzerin, der wunderbar enigmatischen Exzentrikern Nesta Ephraums Brohier mit ihren zwei Dalmatinern ab 2001 endgültig übernahm und nach behutsam respektvoller Renovierung vier Jahre später eröffnete.
Zugang zu allen exklusiven F+Artikeln
2,95 € / Woche
- Alle wichtigen Hintergründe zu den aktuellen Entwicklungen
- Mehr als 1.000 F+Artikel mtl.
- Mit einem Klick online kündbar
Login für Digital-Abonnenten
Sie haben Zugriff mit Ihrem F+ oder F.A.Z. Digital-Abo
