Keine Lifte, keine Pisten, dafür Schnee
VON ANDREAS LESTI, FOTOS: SAMMLUNG DANIEL MÜLLER-JENTSCH10. Oktober 2020 · Erst der Klimawandel, dann die Pandemie: Die Vorfreude auf Schnee und Skifahren will in diesem Herbst nicht so recht aufkommen. Eine Ausstellung in Berlin über Pioniere der Skifotografie wirft einen Blick zurück in die Anfänge des Bergsports.
So gesehen, wirken die lebensfrohen und expressiven Fotos aus den zwanziger und dreißiger Jahren, die nun erstmals in Berlin ausgestellt werden und in einem Bildband versammelt sind, leider auch wie ein Abgesang, der uns zwischen Faszination und Sehnsucht ratlos zurücklässt. Die Fotos stammen von dem Schweizer Fotografenduo Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein aus Adelboden im Berner Oberland. Die beiden waren bekannt für ihre alpinen Landschaftsaufnahmen – über 10.000 davon sind über die Jahre entstanden.
Dass auch rund 250 Skifahrerfotos zu ihrem Werk gehören, war bislang aber unbekannt, und ihre Entdeckung ist dem Privatsammler Daniel Müller-Jentsch zu verdanken. „Ich stieß vor drei Jahren zufällig in einer Galerie in Zürich auf eines dieser Fotos“, erzählt er. Und dann begann er detektivisch zu suchen: in Antiquariaten, auf Flomärkten, im Internet. „Ich habe Fotos in ganz Europa gefunden – Fotos, die nicht mal die Nachfahren der beiden Fotografen kannten.“ Schwarzweißabzüge von großformatigen Glasnegativen, alle mit Stempeln versehen, die sie als Originale ausweisen. Und alle von dieser damals einzigartigen Bildsprache, die den noch neuen Sport so ausdrucksstark in Szene setzte. Am Arlberg wurde gerade die erste Skischule gegründet, in Chamonix fanden 1924 die ersten Olympischen Winterspiele statt, und Arnold Fanck drehte mit seiner „entfesselten Kamera“ Filme wie „Das Wunder des Schneeschuhs“ und den „Weißen Rausch“, deren Ästhetik den Fotografien sehr ähnelt.
„Was Fanck im bewegten Bild gemacht hat, haben Gyger und Klopfenstein in stillen Bildern festgehalten“, sagt Müller-Jentsch. Der Pulverschnee staubt im Gegenlicht, wenn die Skifahrer einsam über die Hänge schwingen oder wagemutig über kontrastreiche Wechten springen. Man ist mittendrin in der kalten Natur, es gibt keine Lifte und keine Pisten, dafür jede Menge Schnee. Und dann ragt im Hintergrund auch noch das Matterhorn in den Himmel. Die Energie und der Spaß sind spürbar, und diese Bildsprache ist auch hundert Jahre später noch stilprägend für die Ästhetik, mit der Wintersport vermarktet wird. Auch wenn es ihn in der Form, wie wir ihn kennen, in der kommenden Saison vermutlich nicht geben wird.
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Die Fotoausstellung am EMOP 2020 in Berlin, Nollendorfstr. 35, läuft noch bis 1. November. Geöffnet Dienstag bis Sonntag 14–19 Uhr (pionierederskifotografie.de). Anlässlich der Ausstellung erscheint ein Fotoband mit einer Auswahl der besten Bilder von Gyger und Klopfenstein: Daniel Müller-Jentsch (Hrsg.), „Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein – Pioniere der Skifotografie“, Regenbrecht Verlag, Berlin, 29,90 Euro.
Quelle: F.A.S.
Veröffentlicht: 10.10.2020 12:15 Uhr
