Hotels : Die Kunst, die Sterne zu deuten
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Schöne Aussicht. Doch wenn es nun nach Holzlack stinkt? Bild: Four Seasons
Vier Sterne können großen Luxus bedeuten - aber auch ein Dreckloch: Warum die herkömmliche Hotelklassifizierung wenig aussagt
Sechs Palmen vor der Tür, aber auch eine sechsspurige Hauptstraße, davor der stinkende Hafen mit rostenden Kähnen, im Foyer Marmor, abgewetzte Sessel und die Zimmer ausgelegt mit einem orange-braunen Flokatiteppich, dazu ein Sofa, auf dem schon Oma saß, total durchgelegene Matratzen, eine muffig stinkende Klimaanlage und schwarze Schimmelecken an der Badewanne: Das Gran Hotel im südspanischen Almeria hat nicht weniger als vier Sterne, ist also in der zweithöchsten Hotelkategorie eingestuft.
200 Kilometer weiter hat in Marbella das Hotel Coral Beach dieselbe Note, und dafür gibt es hier eine Marmorfreitreppe, Open-air-Rezeption, drei riesige Pools, große Zimmer mit feinen Perserteppichen und Marmor, breite Betten, schöne neue Bäder, freundliches Personal, sehr gutes Essen beim Roomservice.
Was soll man von solchen Hotelklassifizierungen halten?
Was soll man von solchen Hotelklassifizierungen halten, wenn sie schon innerhalb eines Landes variieren? In dem einen sind vier Sterne Garant für Topleistungen, woanders gibt es dafür eine fast schäbige Absteige, während in der Türkei selbst in Fünf-Sterne-Häusern der Blick oft nicht auf türkisfarbenes Meer, sondern auf die nächste Großbaustelle geht.
Hotelsterne bedeuten in jedem Land etwas anderes, weil sie nach teilweise völlig unterschiedlichen Kriterien vergeben werden. In West- und Mitteleuropa gibt es mit Ausnahme Portugals überall offizielle Klassifizierungen, die nationale Verbände oder Behörden vergeben und überwachen - aber auch die sind sehr verschieden.
Je besser die Zimmer, desto mehr Sterne
In Deutschland werden die Hotels - auf Wunsch - vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) eingestuft. Dazu füllt der Hotelier einen Fragebogen aus, und eine örtliche Kommission, bestehend aus dem Verband, der IHK und lokalem Tourismusbüro, vergibt dann einen bis fünf Sterne.
Die Faustregel: Je größer und besser ausgestattet die Zimmer, desto mehr Sterne. Für einen Stern reichen acht Quadratmeter im Einzel- und zwölf im Doppelzimmer mit Etagendusche und Frühstück, bei zwei Sternen müssen es vier Quadratmeter mehr sein, dazu Stühle im Zimmer und Frühstücksbuffet. Bei drei Sternen müssen alle Zimmer Dusche, WC und Farbfernseher haben, eine 24 Stunden erreichbare Rezeption und ein Restaurant. Bei vier Sternen kommen Minibar, Sessel oder Couch, Hotelbar und auf Wunsch ein Bademantel hinzu. Der ist im Fünf-Sterne-Hotel Pflicht, 26 Quadratmeter Fläche ebenso, daneben Doppelwaschbecken, Suiten und ein Safe. In ihrer Klasse besonders gute Häuser bekommen noch den Zusatz "Superior".
Sanitärkompfort am wichtigsten
Die Hoteliers zahlen dafür, ein Kupferschild mit den Sternen neben den Eingang hängen zu dürfen, je nach Bundesland zwischen 285 und 750 Euro, für Dehoga-Mitglieder die Hälfte. Die Klassifizierung gilt für drei Jahre und wird stichprobenhaft überprüft. Von den etwa 11 000 deutschen Herbergen sind inzwischen über zwei Drittel eingestuft.
Die Freundlichkeit des Services aber wird nicht bewertet, ebensowenig die Zahl der Mitarbeiter, die sich um den Gast kümmern. Ohnehin scheint dies für die Mehrheit der Übernachtungsgäste nicht so wichtig zu sein: Einer aktuellen Emnid-Umfrage im Auftrag des Dehoga zufolge ist den Deutschen Sanitärkomfort am wichtigsten, gefolgt von "ruhigem Schlafen" und "Frühstücksbuffet". Ein Farbfernseher auf dem Zimmer wird heute häufiger gewünscht als früher und kletterte von Rang acht auf vier, die "großzügige Badausstattung" rückte um zehn Plätze auf Rang 20 vor, die Bedeutung der "Verfügbarkeit von Hygieneartikeln" stieg von Platz 39 gar auf 18.