Goldene Zeiten ...
Von NINA REHFELD; Fotos: LARRY LINDAHL · 20. Oktober 2020... erlebt Colorado gerade ohne Zuschauer aus dem Ausland. Gut gebucht ist es trotzdem. Die Luft ist dünn auf 3700 Metern über dem Meeresspiegel – oder ist es der Blick, der einem auf dem Cottonwood Pass in den Rocky Mountains von Colorado den Atem raubt?
Auf einem kargen Aussichtspunkt im Schiefergestein, gut zweieinhalb Autostunden westlich von Denver, sind wir umringt von den Gipfeln der Sawatch Range, zu der acht der zwanzig höchsten Berge in den Rocky Mountains gehören. Im Nordosten ragt Mount Harvard 4395 Meter hoch auf, im Norden ist die Spitze von Mount Elbert zu sehen, 4399 Meter hoch.
Dies ist fraglos die beste Jahreszeit für einen Roadtrip durch Colorados Rockies. Und auch wenn wir kaum die einzigen „leaf peepers“ sind, die sich an der herbstlichen Farbenpracht erfreuen, kann von Menschenmengen nicht die Rede sein. „Social distancing“ zieht sich hier draußen über Kilometer – anders als an vielen anderen Ausflugszielen in Amerika. Nach dem Shutdown im Frühjahr, als so ziemlich überall gar nichts mehr ging, brachen die Amerikaner im Juni und Juli in Scharen aus, um an die Strände und in die Nationalparks zu flüchten.
Als wir in dem entlegenen Skiörtchen Crested Butte ankommen, ist es überraschend vorbei mit der Einsamkeit. In dem Dorf in den Elk Mountains, das einst Gebiet der Ute-Indianer und später Silberschürfer-Camp war, tummeln sich zahlreiche Leute, ausnahmslos maskiert, auf der abendlichen Elk Avenue. Wir müssen 45 Minuten auf einen freien Tisch im angesagten Mexikaner „Bonez“ warten, das den Regeln des Bundesstaats zufolge mit fünfzigprozentiger Kapazität operiert. Colorado hat sich dem Coronavirus mit einer strengen Politik und einer rigorosen Maskenpflicht auch im Freien gestellt.
Auf der nördlichen Seite der Elk Mountains, die Crested Buttes Aspenwälder idyllisch einrahmen, liegt kaum vierzig Kilometer Luftlinie entfernt die Stadt, die den Namen der Zitterpappeln trägt: Aspen. Der Schickimicki-Skiort ist unter dem Eindruck der Corona-Pandemie zum Dauerrückzugsort von Amerikas Superreichen geworden: Mehr als sechzig Milliardäre sind hier heimisch, die Schülerzahl in der örtlichen Schule ist in den vergangenen Monaten auf 500 angeschwollen. Valentino, Prada und Ralph Lauren südlich der Main Street verzeichnen gute Umsätze. Vor wenigen Wochen hat gegenüber vom historischen Hotel Jerome eine Marihuana-Apotheke für die Hautevolee im Ralph-Lauren-Stil eröffnet. Ein bisschen Luxus gönnen wir uns hier denn auch – mit dem E-Bike fahren wir zu den Maroon Bells, einer imposanten Bergkette in den Elk Mountains über einem Hochgebirgssee; die knapp zwanzig Kilometer lange Strecke, die von 2500 auf gut 2900 Meter über dem Meeresspiegel ansteigt, ist ohne Elektroantrieb eine schöne Strampelei. Dennoch ist der Weg das Ziel. Er führt durch eine Gebirgslandschaft voller Farbkleckse, die der Herbst in Gelb, Grün, Orange und Zartrot auf die Flur unter felsigen Berggipfeln getupft hat.
„Nach Aspen kommt man, um gesehen zu werden“, sagt man uns, und wer lieber inkognito bleiben wolle, der entfliehe den Metropolen nach Telluride. Das vormalige Schürferstädtchen liegt in einem engen Bergtal gute vier Autostunden südlich von Aspen (auf halber Strecke empfiehlt sich ein Abstecher zum Black Canyon of the Gunnison, einer sechshundert Meter tiefen Schlucht).
Telluride erhielt sich seinen viktorianischen Charme, indem es den aufbrandenden Skizirkus in den späten achtziger Jahren über die nächste Bergkuppe ins eigens errichtete Resort-Dorf Mountain Village auslagerte. Eine Gondel verbindet die beiden Ortschaften. Auch hier herrscht Maskenpflicht, wiewohl keine Gruppenfahrten gestattet sind – was zu langen Schlangen führt, in denen man sich mit gebotenem Abstand über die schönsten Wanderwege und Mountainbike-Pfade austauscht. Höchsten Respekt erringt ein wartendes Paar, das sich auf die Via Ferrata gewagt hat, einen drei Kilometer langen Kletterpfad, der den Steigwegen in den Alpen nachempfunden ist. Schließlich sind wir wieder allein und schweben verzaubert durch die golden schimmernden Baumwipfel. Die sinkende Sonne bringt das Blattwerk ein letztes Mal zum Leuchten; schon bald werden die aufziehenden Winterwinde es in alle Himmelsrichtungen verstreuen.
Der Weg nach Colorado
Aufgrund der weltweiten Pandemie ist die Einreise in die USA zu touristischen Zwecken noch immer nicht möglich. Die Zitterpappeln werden sich aber gewiss auch im Herbst 2021 wieder golden färben. Touristische Informationen findet man unter www.colorado.com.Quelle: F.A.Z.
Veröffentlicht: 20.10.2020 12:19 Uhr
