Gothas Wiedergeburt: Friede ernähret, Unfriede verzehret
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Pracht von Jahrhunderten: Das Wappen des Renaissance-Rathauses am Gothaer Hauptmarkt Bild: Picture Alliance
Thüringer Wunder: Wie die Wiederbelebung Gothas im Spiegel ihrer aristokratischen Architektur, Kunst und Kultur gelungen ist.
Das war der spektakulärste Kunstraub in der Geschichte der DDR, und seine kriminalistische Aufarbeitung reichte weit über das Ende des sozialistischen Staates hinaus: Am 14. Dezember 1979 klettert ein Einbrecher in einen Gothaer Museumssaal und entwendet fünf wertvolle Gemälde, unter anderen von Jan Brueghel, Hans Holbein und Frans Hals, damals beziffert auf einen Wert von „mehreren Millionen Mark“. Polizei und Stasi nehmen die Ermittlungen auf, man kann Fußspuren und ein Steigeisen sicherstellen, aber keinen Täter dingfest machen. Hunderte von Menschen werden vernommen, ohne Ergebnis. Es gibt Hinweise, dass die Bilder mit einer verplombten Fleischlieferung von einem Schlachthof in Thüringen in den Westen gelangt sein könnten. Gerüchte kommen auf, dass die Stasi selbst involviert sei, um die Bilder gegen Devisen zu verkaufen. Gemunkelt wird über ein Geschäft zwischen dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß und dem Stasi-Oberst Alexander Schalck-Golodkowski. Im Jahr 1985 werden die Nachforschungen eingestellt, und mit der Wiedervereinigung gerät dieser Ost-West-Krimi erst einmal in Vergessenheit.
Vier Jahrzehnte nach dem Raub, der inzwischen nach bundesdeutschem Recht verjährt ist, kommen plötzlich von einer Erbengemeinschaft in Norddeutschland ein Rückgabeangebot und eine Forderung von fünf Millionen Euro an die Stadt Gotha. Angeblich weiß niemand, wie die Bilder in den Besitz der Familie gekommen sind. Ein Sachverständiger bestätigt die Echtheit, doch vieles bleibt mysteriös. Stadt und Museum möchten die Bilder zurück, sind aber nicht bereit, für das Diebesgut zu zahlen. Die Kriminalpolizei wird eingeschaltet, und nach geschicktem Taktieren des Gothaer Oberbürgermeisters kehren die Bilder ohne Entschädigung an ihren angestammten Platz zurück. Bis Ende August 2022 präsentiert das Herzogliche Museum die Gemälde in einer Sonderausstellung mit dem Titel „Wieder zurück in Gotha! Die verlorenen Meisterwerke“. Die Bilderschau wird ergänzt von einer aufschlussreichen Dokumentation zum Raub und seiner unaufgeklärten Aufklärung, darunter die Kopie der hilflosen Stasi-Akte.
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