Panama : Drachentöter sind auch nur Menschen
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Stolzes Volk: Kein Conquistador und kein Kolonialist konnte jemals die Kuna-Indianer an der Karibikküste Panamas unterwerfen. Bild: picture-alliance/ dpa
Hut und Kanal: Das ist unser Bild von Panama. Der Rest bleibt seltsam unkonkret - ein schöner Name, eine Chiffre für Sehnsucht, ein Land aus Phantasie. Und was sagt die Wirklichkeit dazu?
Die Dorfschenke von Ugubseni ist nichts für Nüchterne. Kein Mensch von klarem Verstand würde sich ohne Not oder Auftrag in diese fenster- und namenlose Betonbaracke mit Kneipenminimalausstattung hocken: einer Handvoll schwankender Plastikstühle, einem Zementklotz als Tresen mit einem gartenzwergkleinen Indio-Hutzelweibchen dahinter, einer rachitischen Kühlschrankrostbeule in der Ecke, in die auch die sorgfältig geleerten, liebevoll zerknautschten Bierdosen zu Blechbergen zusammengeschmissen werden. Dafür ist die Stimmung umso lebensfroher. Die Honoratioren der Dorfgemeinschaft haben sich hier zum frühen Aperitiv versammelt, der Lehrer, der Postbote, der Hilfsarzt von der Gesundheitsstation, um die Weltenläufe zu besprechen.
Man müsse wissen, sagen sie mit großer Geste und schwerer Zunge zum hochwillkommenen Zufallszecher aus der Fremde, dass ihr Volk der Kuna-Indianer die älteste Demokratie der Erde sei. Donnerwetter! Aber ja, seit Anbeginn der Zeit gebe es sie, leuchtendes Vorbild für George Washington und Robespierre sei sie gewesen. Ist das möglich! Das ist es, mein Herr, und eine eigene Revolution hätten sie auch angezettelt, den glorreichen Kuna-Volksaufstand von 1925. Das wird ja immer besser! Genaugenommen handle es sich bei ihrer Gesellschaftsform um Urkommunismus in Reinform, so etwas habe nicht einmal der Lenin hinbekommen, der habe es ja bekanntlich nur bis zum Sozialismus gebracht. Und, aufgepasst, sie, die Kuna, seien das einzige Indio-Volk der Welt mit einer eigenen Regierung, und eine Dorfschule gebe es hier übrigens schon seit 1916, man sei herzlich zum fünfundneunzigsten Jubiläum eingeladen. Na, wenn das alles keine Lokalrunde wert ist. Frau Ober, Nachschub für die fidelen Herren bitte, lang lebe die Demokratie, ¡Viva la Revolución!
Die Frauen haben das Sagen
In Panama ist vieles anders, als es auf den ersten Blick erscheint. Das Volk der Kuna zum Beispiel ist bekannt für seine gesunde Lebensweise mit wenig Alkohol und außerdem matriarchalisch organisiert - die Männer haben also nichts zu sagen. Das Land Panama wiederum besteht, von der Ferne betrachtet, nur aus einem Strohhut, einem Kanal und einer düsteren Drogenvergangenheit. Tatsächlich aber ist es derzeit der fortschrittsgläubigste, kraftstrotzendste und spannendste Staat Mittelamerikas. Seit vor zwölf Jahren das letzte offizielle Kapitel des amerikanischen Imperialismus endete und die Vereinigten Staaten die Hoheit über den Kanal in die Hände Panamas legten, erlebt das Land einen beinahe gespenstischen Boom, einen Rausch der Entfesselung und Befreiung.
Gebannt sind die Gespenster der Vergangenheit, allen voran die Schreckensherrschaft des pockennarbigen Kokaingenerals Manuel Noriega, gebannt schaut man heute auf die Verheißungen der Zukunft, die auch im Tourismus golden sein soll. Das Vorbild ist dabei der ungeliebte Nachbar Costa Rica, der verblüffend erfolgreich mit seinem einzigen Pfund wuchert: seiner wuchernden Natur. Unser Dschungel ist genauso schön, sagen die Panamaer mit selbstbewusstem Trotz, und er wird nicht nur von Primaten bewohnt, sondern auch von viel interessanteren Lebewesen - von Indios wie den Kuna zum Beispiel.