Nigeria : Die Herren der Hyänen
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Mallam Mantari Lamal und die Hyäne Mainsara Bild: Abbildungen aus dem besprochenen Band
Stolz und Würde der Kreaturen: Der südafrikanische Fotograf Pieter Hugo reiste mit einer Schaustellertruppe durch Nigeria. Bilder von verstörender Fremdheit über die Zivilisation und Wildheit von Mensch und Tier.
Unter den wilden Tieren der Welt haben Hyänen einen denkbar schlechten Ruf. Daran ist Alfred Brehm nicht unschuldig. In seiner Enzyklopädie „Illustriertes Thierleben“, in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts erstmals veröffentlicht, beschrieb der Zoologe Hyänen als dumm, böse und feige. Bei dieser Vermutung ist es im Wesentlichen geblieben, auch wenn die Wissenschaft längst über Brehms Erkenntnisse hinaus ist.
Neuere Studien weisen etwa nach, dass Tüpfelhyänenmännchen besonders höfliche und aufmerksame Liebhaber sind, was im Zusammenhang mit einer anatomischen Besonderheit der Weibchen steht. Auch ist das alte Vorurteil korrigiert, Hyänen ernährten sich ausschließlich von Aas. Tatsächlich gehören sie in den Savannen Ostafrikas zu den erfolgreichen Jägern, die ihre Beute allein oder in kleinen Gruppen erlegen.
Legenden und Sagen, und die Furcht vor dem Tier
Sogar in Afrika, der Heimat der Tüpfelhyäne, ist die Furcht vor dem Tier weit verbreitet. Das äußert sich nicht nur in vielen Legenden und Sagen, sondern auch in bizarren Kolportagen, die bisweilen sogar seriöse Medien erreichen. So zitiert der nigerianische Journalist Adetokunbo Abiola die Meldung aus einer Zeitung in Lagos, in der es vor einigen Jahren hieß, eine Verbrecherbande, die ihre Opfer mit Hilfe einer abgerichteten Hyäne und eines Affen beraubte, sei in eine Schießerei mit der Polizei geraten.
Tatsächlich war es so, dass die Besitzer der Hyänen, eine Familie fahrender Schausteller, an einem Polizeiposten unter Feuer gerieten. Die Schießerei endete tödlich für zwei Hyänen und zwei Beamte, die versehentlich von ihren Kollegen getroffen wurden. Erst im Nachhinein sei gegen die Hyänen-Männer Anklage erhoben worden, sie wurde aber schnell wieder fallengelassen. So lautet die Version des Ereignisses, die Abiola von Abdullahi Ahmadu hörte.
Die Hyänen-Männer, Gaukler und Wundheiler
Adbullahi Ahmadu gehört seit seiner Kindheit zu den Gadawan Kura, den Hyänen-Männern, die als Gaukler und Wunderheiler durch Nigeria ziehen und ihr Laufpublikum mit Tierdressuren zum Kauf traditioneller Medizin animieren - die Tinkturen, Salben und Wunderpulver sollen immun machen gegen alle Widrigkeiten des Lebens. Zur Gruppe zählen überdies Ahmadus kleine Tochter Mummy, drei Hyänen, zwei Felsenpythons und vier Paviane.
Beim Blick auf die Familie wird man auf Anhieb kaum entscheiden können, wer den gefährlicheren Eindruck macht: die Männer, alle im besten Alter, die finster entschlossene Mienen und grelle Muskelhemden zur Schau tragen, oder die Hyänen zu ihren Füßen, deren Bedrohlichkeit durch improvisiert wirkende Maulkörbe aus Hanfstricken und Eisenketten um den Hals noch verstärkt wird.
Mensch und Tier vor dem Elend der Kulissen
Die Hyänen-Männer und ihre Tiere strahlen einen eigenartigen Reiz aus. Ihm ist auch der junge Fotograf Pieter Hugo aus Südafrika erlegen, der über Abiola Kontakt zu der Truppe fand und die Reisenden durch ihre Heimat begleiten durfte. Die Aufnahmen, die unterwegs entstanden, zeigen nicht das Handwerk der Schausteller, die Tricks und Kunststücke, mit denen sie ihr Publikum unterhalten. Vielmehr konzentriert sich Hugo auf Porträts, die er selbst als Vermischung von Mensch und Tier, Zivilisation und Wildheit bezeichnet.
Es sind Bilder von verstörender Fremdheit - selbst für Betrachter, für die das Unbehauste afrikanischen Lebens auf der Straße ein geläufiger Eindruck ist. Die Irritation entsteht durch das Nebeneinander des selbstgewissen Posierens von Mensch und Tier vor dem Elend der Kulissen aus Überlandstraßen, Betonbrücken und Elendsquartieren - Menetekeln einer Welt, die verdorben ist von den Auswürfen der Zivilisation. Intuitiv erkennt man, dass diese Bilder vor allem von einem erzählen: von Stolz und Würde der Kreatur wider die Verhältnisse.