Kreuzfahrt : Es sollte jetzt am besten immer so bleiben
- -Aktualisiert am
Mondän ist es nicht auf der Queen Mary 2. Aber wen stört das schon, wenn man von der unendlichen Leere des Meers umgeben ist? Bild: dpa
Kein Gestern, kein Morgen, keine Wünsche, keine Schmerzen: Eine Fahrt mit der Queen Mary 2 nach New York lässt einen das Geschnatter der Dingwelt vergessen.
Wann immer wir uns skeptisch über Kreuzfahrten geäußert haben, wurde auch die eine Einschränkung gemacht: Sich mit dem Schiff New York annähern, mit dem Schiff im Hafen von New York landen, das würde sich wahrscheinlich doch lohnen. Für dies Erlebnis musste die neunte Nacht an Bord der "Queen Mary 2" erheblich abgekürzt werden; um fünf Uhr früh sollte sich das Schiff noch in tiefer Dunkelheit der angestrahlten Verrazano Narrows Bridge nähern, die die Einfahrt der großen Lagune von New York überspannt. Es war ungewohnt, beinahe mit einer kleinen Enttäuschung verbunden, die Lichter des Ufers nach so vielen Stunden reiner undurchdringlicher Schwärze wahrzunehmen: Die Erde fing wieder an, klein zu werden, das eben noch endlos erscheinende Meer war wieder zu einem Becken mit umgrenzendem Rand geworden. Aber die Lichterreihe ließ noch nichts von der Riesenstadt ahnen, sie hätte am Bodensee auch nicht viel anders ausgesehen.
Wir standen vor dem erhofften und erwünschten Eintritt in das von unendlich vielen Reisenden beschriebene kollektive Überwältigungserlebnis des Anblicks eines sich aus den Wassern im Schein der Morgensonne erhebenden Manhattan. Aber solche vielfältig angekündigten Eindrücke enthalten immer auch einen Zwang, dem sich der auf seine Unabhängigkeit stolze Betrachter gern entziehen möchte. Am meisten hatten wir uns etwas vom surrealen Reiz der kolossalen steinernen Göttin versprochen, die eine von den alteuropäischen Freiheiten so grundsätzlich verschiedene Freiheit symbolisierte. Es war dann ein ganz anderes unerwartetes Bild, das sich uns bot. Ein großes Wasser- und Landschaftstheater, eine geradezu barock geformte Bühne aus Strömen und Inseln, in deren Mitte sich eine gläserne Burg oder auch der Magnetberg aus "Tausendundeiner Nacht" erhob. Die Sonne ging in unserem Rücken auf, das Panorama färbte sich nur zögernd rosa, zugleich vertieften sich an anderen Stellen die Schwärzen, die Baustelle des neuen World Trade Center glitzerte wie ein monumentaler Weihnachtsbaum im Morgendämmer.
New York kam uns vor wie eine Antwort auf Konstantinopel
Es wurde in der langsamen, geräuschlosen Annäherung des Schiffes - wahrscheinlich waren die Motoren längst abgestellt, und es glitt nur noch auslaufend dahin - der ganze Raum dieses Golfes erfahrbar. Wie die beiden Flüsse, East River und Hudson, die Felseninsel Manhattan umschlossen, diesen natürlichen Schiffsbug, diese Festung aus Panzerschränken, von morgendlich silbernem Wasserspiegel nur noch fester konturiert! Die Stadt New York mit ihrem Namen eines mittelalterlichen englischen Herzogtums stellte sich in ihrem Eingefügtsein in die Landschaft nicht wie die stolzeste der neuen Städte in der Neuen Welt dar, sondern wie eine uralte Stadt, in legendärer Zeit gegründet, als die Stadtgründer sich noch von den Gegebenheiten der Landschaft leiten ließen und die Städte an Stellen setzten, die sie der Natur gleichsam abgelauscht hatten. New York kam uns wie eine Antwort auf Konstantinopel vor, Manhattan wie eine Version des Goldenen Horns.