Brasilien : Die Wunder der Chapada Diamantina
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Von Lençóis geht es zunächst in Richtung Süden. Nach achtzig Kilometern durch hügelige, ausgedorrte Grassteppen gelangt man in den Marimbus, eine sumpfige, dem südbrasilianischen Pantanal ähnelnde Marschlandschaft, die von verschiedenen Flüssen geformt wurde und deren Wasser sich im Schatten der Tafelberge zu idyllischen Teichen aufstaut. Bei ausreichendem Wasserstand kann man im Kanu durch die Kanäle voller Schilfgras und Farne paddeln, vorbei an Wasserhyazinthen und Wasserlilien mit ihren enormen, kreisrunden Blättern, deren sternförmige Blüten sich allerdings nur nachts öffnen. Auf den Ipê-Bäumen streiten sich vorlaute Papageien um den besten Ast, manchmal schwirrt ein Kolibri durch die Luft. In herrlichen Naturschwimmbecken kann man baden, eine willkommene Erfrischung in der Mittagshitze. Die ungewöhnliche Rotfärbung des Wassers muss niemanden beunruhigen: Sie beruht auf dem außergewöhnlich hohen, natürlichen Eisengehalt der Quellen in der Umgebung. Stellenweise ist die Brühe so dunkel, dass man sich wie in einem Coca-Cola-Teich fühlt.
Zurück blieben nur Ruinen
Wer sich nicht davor scheut, in Gesellschaft von Klapperschlangen und Vogelspinnen ohne schützendes Zeltdach unter dem Kreuz des Südens zu schlafen, kann sich im nur wenige Kilometer entfernten Diamantengräberstädtchen Andaraí einer Wandergruppe anschließen, die die Serra do Sincorá durchkreuzt. Siebenundsechzig schweißtreibende Kilometer führen durch die Weltabgeschiedenheit des Tals von Paty von der einen Flanke des Gebirgszugs zur anderen. Nach drei oder vier Tagen gelangt man ins Tal von Capão, von wo aus man zur Cachoeira da Fumaça weitermarschieren kann. Eine andere, nur wenige Stunden dauernde Trekkingroute, die sich auch auf dem Rücken von Pferden bewältigen lässt, schlängelt sich auf einem alten Garimpeiro-Pfad nach Igatu.
Die auf einem schroffen, rostbraun leuchtenden Felsplateau thronende Ortschaft wurde zunächst als Zwischenstation von Edelsteinsuchern und Händlern erbaut, die von Andaraí gen Süden zogen. Der unterhalb des einsamen Nestes träge dahinplätschernde Riacho das Piabas erwies sich dann aber als einer der diamantenreichsten Flüsse der ganzen Chapada. Aber auch diese sagenhafte Schatztruhe der Natur war eines Tages erschöpft, und Igatu wurde fast völlig aufgegeben.
Leblos wie der Friedhof
Rabiate Garimpeiros zerstörten ganze Straßenzüge auf der verzweifelten Jagd nach den allerletzten Diamanten. Zurück blieben nur Ruinen. Am Rand der Geisterstadt erbaute man ein neues Dorf, das sich in den vergangenen Jahren dem Ökotourismus verschrieben hat. Hippies schwelgen hier in der elysischen Ruhe am kaffeebraunen Busen der Natur. Hinter den letzten Häuschen sagen sich Jaguar und Wasserschwein gute Nacht.
Die meisten der wenigen Besucher durchqueren die Serra do Sincorá aber nicht zu Fuß, sondern mit dem Auto und legen dabei den obligaten Zwischenstopp in Mucugê ein. Hier soll der Legende nach im Jahre 1844 der Diamantenboom seinen Anfang genommen haben, als einem Schützling des örtlichen Coronel beim Händewaschen im Fluss zufällig ein preziöser Klumpen zwischen die Finger rann. Heute sind die Straßen menschenleer, die Rundbogenfenster der Häuser nahezu alle mit wurmstichigen Holzläden verrammelt. Der Putz bröckelt, ein paar von der mörderischen Hitze ausgemergelte Köter lungern auf den Plätzen herum. Ein uralter VW-Käfer mit zwei grauhaarigen Männern tuckert durch den Ort - das erste Auto des Tages. Mucugê ist so leblos wie der Friedhof, der draußen an einem grünen Berghang klebt.
Die Lockungen der Unterwelt