Abu Dhabi : Der Lüsterpalast
- -Aktualisiert am
Kein Märchen: Das größte Hotel der Welt Bild: Emirates palace
Da verschlägt es dem Reisenden zunächst einmal die Sprache: Der "Emirates Palace" am Strand von Abu Dhabi funktioniert als Regierungsgästehaus, Kongreßzentrum und Touristenattraktion.
In der Antike würde man vom achten Weltwunder sprechen, dem Nachgeborenen jedoch verschlägt es beim ersten Anblick des Palastgebirges zunächst einmal die Sprache. Wie soll er nennen, was da, wie aus den Tiefen der Wüste emporgestiegen, in den sieben Farben des arabischen Sandes mit allen Gipfeln und Vorsprüngen wie eine gigantische Fata Morgana ockerfarben und rosa am Strand von Abu Dhabi steht? Das, was sich hinter dem trockenen Titel "Emirates Palace" und der Dreifachfunktion von Regierungsgästehaus, Kongreßzentrum und Touristenattraktion verbirgt, übersteigt jede Vorstellungskraft.
Fast einen Kilometer lang erstreckt sich der massige, reich mit Arkaden, Innenhöfen und wie von Lalique geschliffenen Glasbalkonen gegliederte Gebäudekörper, über dessen Mitte in vierzig Meter Höhe die größte und höchste von hundertvierzehn Kuppeln thront. Innen wirkt der Palast, dessen Seitenflügel normalen Hotelgästen zugedacht sind, noch viel unermeßlicher. Meilenweit eilen Gäste und Personal auf spiegelnden, mit kunstvollen Einlegearbeiten verzierten Marmorböden unter blattgoldbelegten Decken und eintausend glitzernden Swarovski-Lüstern durch die fußballfeldgroßen Weiten von Hallen und Fluchten, mal unter gotischen Spitzbogengewölben mit Sternenstaubeffekt, mal zwischen trutzigen Säulen.
Palast mit tieferer Bedeutung
Golden schimmert auf fernen Sitzinseln das Leder barockisierenden Gestühls. Wie ein niedliches Boutique-Hotel wirkt das versacebunte Pop-art-Schaustück Burj al Arab im Bruderscheichtum Dubai gegen die Ausmaße dieses Palastes in hochglänzendem Beige, den sich das ungleich reichere Abu Dhabi jetzt als Wahrzeichen und Identifikationssymbol baute - auch, um die Hierarchie unter den Emiraten vor der ganzen Welt zurechtzurücken.
Denn das prachtstrotzende Hotel-Flaggschiff Burj al Arab in Dubai erfüllte die Hoffnung, das Emirat als neue Metropole der Geschäfts- und Urlaubswelt bekannt zu machen, nur allzu glanzvoll. Der Ehrgeiz der Schöpfer des Emirates Palace aber, dem jene Architekten Gestalt verliehen, die auch die Phantasie von Atlantis in der Karibik als Erlebnishotel zum Leben erweckten, reicht weit über ein Fantasy-Resort hinaus. Dieser Palast mit Hotelanschluß hat für seine Erbauer in mehrfacher Hinsicht tiefere Bedeutung: Zuerst ist das Bauwerk ein Palast zur Repräsentation der Staatsmacht.
Wasserspiele und Steinmetzarbeiten
Zwischen Palmenhainen führt eine mächtige, mit Wasserspielen und Steinmetzarbeiten geschmückte Rampe steil hinauf zum Herzstück des Palastes, wo jeder der übrigen sechs Herrscher der Vereinigten Arabischen Emirate bei der jährlichen Zusammenkunft in seiner ganz persönlichen, in schimmerndem Gold und funkelndem Silber ausgeschlagenen, eintausendzweihundert Quadratmeter großen Suite Wohnung nehmen kann. Das beendet die unbefriedigende Situation, daß die Teilnehmer der Golfstaaten-Konferenz ausgerechnet bei ihrer Zentralregierung in Abu Dhabi in abgewetzten Hotels ausharren mußten, obwohl das Scheichtum das reichste und mächtigste ist: Washington sozusagen, wenn Dubai New York wäre. Gleichzeitig aber ist der Emirates Palace als Kongreßzentrum für zweitausend Teilnehmer und erklärtes Wahrzeichen des Landes auch das Fanal für einen beherzteren Einstieg Abu Dhabis in den Tourismus, ein ganz besonderes Anliegen des Herrscherhauses, dessen Engagement bis ins Detail der prachtvollen Mäntel aus schwarzgoldenem Brokat reichte, in denen Hotelangestellte den Gast zum Zimmer geleiten.
Im Spätsommer oder Herbst wird der "Palast der Emirate" öffnen, den zu führen eine so werbewirksame wie herausfordernde Aufgabe ist. Dafür hat sich der Scheich von Abu Dhabi aus dem Angebot des Planeten die deutschstämmigen Kempinski Hotels, die älteste Luxushotelkette Europas, ausgesucht, die schon mit dem Adlon am Brandenburger Tor Sensibilität beim Wiedererwecken von Legenden bewies. Fingerspitzengefühl brauchen die Hotelmanager bei diesem Multifunktionsgebilde mit seiner höchst unterschiedlichen Klientel als allererstes. Zwar werden die Suiten der Herrscherhäuser nicht weitervermietet, doch alle anderen Räume sind gegen Entgelt ab etwa dreihundertsiebzig Euro die Nacht jedermann zugänglich - es sei denn, das Protokoll hat bis spätestens dreißig Tage im voraus Staatsgäste samt Entourage angemeldet. Vorzugsbehandlungen der Art, daß Hotelgäste Staatsgästen überraschend weichen müßten, sollen ausgeschlossen sein, bekräftigt das Management. Sie würden den Ruf der Hoteliers - und des fordernden Herrscherhauses ruinieren.
Kuppeln glühen purpurfarben und blau
Wessen Stil dieser rosa Marmorelefant repräsentiert, ist allerdings erst nach einem Blick in die Schaufensterauslagen für den Wohnbedarf klar. Perplex steht der auf minimalistische Kühle programmierte westliche Wohngourmet vor den schwellenden Riesen-Polster-Ehebetten in schillernden Pastellfarben, deren golden gefaßte Kopfteile an überdimensionales Schaumgebäck erinnern, und vor Lampengeschäften mit dicht an dicht hängenden Zwei-Meter-Glitzerlüstern. Ob es uns gefällt oder nicht: So lebt man in den Emiraten wirklich. Und plötzlich sehen wir das architektonische Statement der Herrscher von Abu Dhabi mit anderen Augen: die Kilometer filigraner Gitter wie vorm Buckinghampalast, die Hunderte gewaltiger Kandelaber wie in Paris, die Myriaden aufschäumender Fontänen wie in Versailles, postmodern, eklektisch, historisierend, verfremdend und gerade deshalb völlig identisch mit dem alltäglichen Leben in den Emiraten. Auch ein mächtiger Arc de Triomphe ist da, mit orientalischem Spitzbogen und Kuppel jedoch: Hier soll einmal das Nationalmuseum seinen Platz finden. Abends erglüht auch diese Kuppel wie alle anderen abwechselnd purpurfarben und blau. Der Palast der Emirate ist kein Märchen aus zweitausendundeiner Nacht, sondern ganz und gar authentisch.