Entenhausen : Ein Duck geht durchs Land
- -Aktualisiert am
Alles Gute! Bild: dpa/dpaweb
Klatsch, klatsch! Der Wandervogel und sanfte Tourist Donald Duck wird siebzig.
Er hätte gewarnt sein müssen: Die Reisegruppe, die Donald Duck und seine drei Neffen nach Venedig bringt, trägt die Nummer 13. Ihr Motto lautet: Fünf Tage Europa unter kundiger Führung. Also hetzen die Entenhausener Weltenbummler im Eilschritt dem kundigen Führer nach, links der Dogenpalast, rechts die Markussäule, in der Mitte die weltberühmten Tauben (die einzige Sensation auf dem Platz, die dieses Epitheton verliehen bekommt) und einen Kanal weiter das Denkmal von... na, ist ja auch egal. Die Reisenden haben keine Zeit mehr. Urlaubswochen sind keine Herrenwochen, und Reisen bildet nicht: Wer nicht schon an den Beinschienen den berühmten Krieger auf dem Sockel zu erkennen weiß, wird mit seinem Namen auch nichts anfangen können. Weiter, weiter, die nächste Sensation wartet schon.

Verantwortlicher Redakteur für Literatur und literarisches Leben.
Den Anschluß verloren
Nun ist Donald Duck ein Mann des Auges, ein Ästhet, dessen Reiseaufnahmen in Fachkreisen großen Ruf genießen, etwa seine Dias von den Gunnar-Geysiren. Reisen schafft Bilder. So fotografiert Duck also auch in Venedig eifrig, verpaßt deshalb die Bootsabfahrt seiner Gruppe und hat nun die wenigen Sekunden Verspätung wieder aufzuholen, denn der enge Zeitplan der Besichtigungen läßt das Warten auf Zurückgebliebene nicht zu. Schließlich erreicht Duck den Flughafen in Mestre und bittet die Wartenden, ihn doch bitte schnell vorbeizulassen, damit er seine Gruppe vor dem Abflug nach Genf noch erreichen könne. Doch die gesamte Schlange besteht aus Touristen, die ebenfalls den Anschluß verloren haben: an die Reisegruppen 6, 9, 10 und 12, und alle sind auf dem Weg nach Genf. Da hat die 13 nichts mehr verschlimmern können.
Die Teilnahme an Pauschalreisen wie diesem Europatrip mit der seltsamen Stationenfolge Venedig-Genf-Paris-London-Zürich ist untypisch für Familie Duck. Mag sein, daß die hohe Verschuldung, die der Familienvorstand für seine Reise nach Island zu den bereits genannten Geysiren eingehen mußte, spätere finanzielle Zugeständnisse erzwang. Das Resultat der Europatour aber wird die Ducks wieder zu strikten Verfechtern des Individualtourismus gemacht haben, zumal Donald Duck nicht einmal Zeit gefunden haben dürfte, seine Leidenschaft für Souvenirs zu befriedigen. Was ihm andererseits den üblichen Ärger erspart haben wird, den er sich beim Abmontieren von Artefakten, die er daheim dem Anglerklub vorführen will, einhandelt. Reisen mißbildet. Die Begründung "Ich will ja nur damit angeben, das ist ja wohl erlaubt" hatte die Polizei in Pocopausa seinerzeit nicht überzeugt; sie hätte wohl auch in Venedig nicht verfangen.
Der notorisch Beschäftigungslose
Am kommenden Mittwoch feiert der manische Reisende Donald Duck seinen siebzigsten Geburtstag. Aller Voraussicht nach tut er dies im heimischen Entenhausen, an dem er denn doch mehr hängt als an allen Schönheiten der übrigen Welt. Trotzdem treibt es den notorisch Beschäftigungslosen immer wieder in die Ferien, und die Abenteuer, die er samt seinen Neffen dort erlebt, lassen, wie Henner Löffler in seiner jüngst erschienenen Studie "Wie Enten hausen" (Verlag C.H.Beck) feststellt, "rationale Fragen der Art, warum Donald überhaupt Urlaub benötigt, verstummen".