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Eisbaden in Finnland : Kalt erwischt

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Wer könnte da einem Bad widerstehen? Das Wasser des Flusses Kitkajoki nahe der finnischen Stadt Kuusamo ist im Winter zwei Grad kalt. Wenn die Luft 25 Grad minus hat, ist das warm, sagen die Finnen. Bild: Schapowalow

Die spinnen, die Finnen: Wenn Eis, Schnee und Dunkelheit Finnland im Griff haben, setzen sie noch eins drauf und steigen ins kalte Wasser. Das soll entspannen und gesund sein?

          5 Min.

          Im Scheinwerferlicht eines Lieferwagens müht sich eine kleine Touristengruppe mit Isolieranzügen, Schwimmwesten, Helmen, Stirnlampen und Neoprenhandschuhen. Das alles muss irgendwie an den Körper, der bereits in einem Schneeanzug steckt, denn keiner will später das eisige Wasser auf der Haut spüren. Rund um den Parkplatz einer Fernstraße am südlichen Rand von Lappland existiert nur noch Schwarz-weiß – schwarze Nacht und weißer Schnee. Hinter den Bäumen muss sich ein schwarzes Band entlangziehen, der Fluss. Und dahinein geht es, zum sogenannten River Floating.

          Dick eingemummt watscheln alle wie Pinguine hintereinander in den Wald, stapfen durch tiefen Schnee unter dick verschneiten Ästen am Ufer hinauf zum Einstiegspunkt. Es ist vor 17 Uhr, doch schon längst dunkle Nacht im finnischen Kuusamo. Nur noch drei bis fünf Stunden Helligkeit hat die Gegend jetzt zu bieten. Eisplatten brechen am Ufer ab, als wir in den Fluss steigen. Man spürt die Kälte und den Druck des Wassers auf die Beine und seine Kraft, wenn es an der obersten Schicht zerrt. Weiter hinein sollen wir, uns dann gegen die Strömung zurücklehnen und die Fußsohlen in Fließrichtung strecken.

          Das Ergebnis: Wie Baumstämme treiben wir auf dem Kitkajoki, der hier an der Stromschnelle Kiveskoski eine gute Geschwindigkeit hat. Doch wie soll man lenken? Irgendwie mit den Beinen rudern. Die Hände bleiben besser auf dem Bauch, denn in die Handschuhe kann Wasser laufen. Auch den Kopf sollte man nicht zu sehr zur Seite drehen, denn rund ums Gesicht und am Hals kann Wasser reinschwappen. Die Stirnlampe rutscht, das ist nicht gut, denn keiner könnte mich sehen und wieder rausfischen, wäre sie nicht mehr auf meinem Kopf. Egal. Wir sollen uns entspannen und genießen, hieß es. Der Blick geht in den Himmel, endet aber an den angestrahlten kleinen Flöckchen. Idealerweise wären da jetzt kein Schnee und keine Wolken, dafür Nordlichter. Grüne Schlieren im Himmel, magische Zeichen. Doch die lassen sich nicht bestellen.

          Ein Wort für Schnee, der an Ästen hängt

          Ja, hat der Guide vorhin gesagt, bei der Frage, ob wir eine Chance auf Nordlichter haben. Das muss er vielleicht, um den Touristen die Hoffnung nicht zu nehmen. Da standen wir noch in einem Laden, der aussah wie ein typischer Skiverleih, nur dass dort die Adventuretouren starten. Draußen der Skiort Ruka, der genauso in den Alpen sein könnte. In den Fünfziger Jahren aus dem Nichts erbaut und das größte Skigebiet Finnlands, achthundert Kilometer nordöstlich von Helsinki mit zweihundert Schneetagen im Jahr. Hinter einem Tiefgaragenzugang in Pagodenform, Sportgeschäften, Après-Ski-Karaokebars und Hotelblocks fliegen Skifahrer in Salti über Schanzen. Ende November fand hier der Weltcup statt. Lang sind sie nicht, die Pisten, dafür steil. Für Mitteleuropäer wäre es natürlich ein wenig verrückt, nur zum Skifahren herzukommen. Aber man kann eben auch die Natur erkunden und arktische Abenteuer buchen: Huskyschlittenfahren, Rentierausflüge, Schneemobiltouren, Eisklettern. Oder in eiskalten Flüssen schweben. Manche sagen, das sei Lappland, denn es klingt so gut fürs Marketing. Tatsächlich macht jedoch genau hier im äußersten Osten des Landes die Grenze zur nördlichsten Region einen fiesen Schlenker nach oben und spart Kuusamo aus.

          Mit Isolieranzügen, Schwimmwesten, Helmen, Stirnlampen und Neoprenhandschuhen geht es durch die finnische Nacht zum River Floating.
          Mit Isolieranzügen, Schwimmwesten, Helmen, Stirnlampen und Neoprenhandschuhen geht es durch die finnische Nacht zum River Floating. : Bild: Anja Martin

          Knapp unterm Gipfel des Rukatunturi, auf 430 Meter Höhe, ist Piritta Liikka gerade mit ihrer Yogastunde fertig, die sie regelmäßig gibt. Ein paar Einheimische kommen plaudernd die Treppe herunter, gehen zu ihren Autos und fahren ins Tal. Alles rundum ist dicht weiß bestäubt, als wäre einem Konditor der Puderzucker ausgekommen: die Umlenkrollen der Skilifte, die Baumstämme, die Häuser, die Leitpfosten. Durch die Feuchtigkeit haftet der Schnee rundum an allem. Die Bäume sehen aus wie seltsam zerschmolzene weiße Kerzen. „Tykkylumi“ nennen die Finnen den Schnee, der ballonartig an den Ästen hängt. Er kann so schwer sein, dass Bäume brechen.

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