Bergsteigen in Georgien : Und nach dem Gipfel einen Wodka
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Der Kasbek ist der dritthöchste Berg Georgiens. Im Gegenlicht hebt sich das Gergeti-Kloster ab. Bild: Stephanie Geiger
Von Bauhelmen, Benzinkochern und Hüttenbaracken: Wer im Kaukasus auf einen Berg steigt, der muss nicht nur mit 5000 Metern Höhe zurechtkommen, sondern auch feststellen, dass Georgien nicht die Schweiz ist
Der Bauhelm hinterließ bei uns einen tiefen Eindruck. Wir hatten schon viel erlebt am Berg: Gummistiefel, einen einrädrigen Anhänger, den ein Fernwanderer über schmale und steile Pfade hinter sich herzog, sogar Badeschlappen waren uns schon untergekommen. Aber ein Bauhelm über einen Tropenhelm gezogen, auf einer weiten Gletscherfläche ohne Steinschlaggefahr in fast 5000 Metern Höhe, das war uns völlig fremd. Zuerst glaubten wir deshalb auch, der reduzierte Sauerstoffgehalt der Höhenluft würde uns zum Halluzinieren bringen. Doch je näher wir der Seilschaft kamen, desto realer wurde das Bild. „Ostblock“, sagten die beiden Salzburger abfällig, die sich unserer Gruppe angeschlossen hatten. Wir schauten entgeistert, grüßten freundlich und fotografierten aus der Hüfte. Würde es diese Aufnahme nicht geben, würden wir heute noch an der Existenz dieses Bauhelms zweifeln.
Wir waren nach Georgien gereist, um die Berge des Großen Kaukasus zu entdecken. Unser Ziel: Der 5049 Meter hohe Kasbek, der dritthöchste Berg Georgiens. Um diesen formschönen Vulkankegel rankt sich eine lange Geschichte, die bis zu Prometheus zurückreicht, der von Zeus an einen Felsen dieses Berges gekettet worden sein soll. Wir hatten uns für den Kasbek entschieden, weil er weit genug entfernt ist vom Seven-Summit-Trubel des Elbrus, dem höchsten Berg Europas.
Sehr ernsthafte Probleme
Tatsächlich fanden wir im Kaukasus ein Stück weit die Ruhe, die wir gesucht hatten. Wir stießen dort aber auch auf eine ganz andere Art des Bergsteigens, wie wir sie aus den Alpen nicht kannten. Als echter Bergsteiger gilt im Kaukasus nur, wer einen schweren Rucksack trägt, sich Blasen läuft und sich während der gesamten Tour richtig schindet. Wir sahen übertrieben große Rucksäcke und Ausrüstung, die von irgendwoher zusammengetragen oder wie der tropische Bauhelm zusammengebastelt war. Wir lernten schnell, die Nationalitäten zu unterscheiden: Die Georgier machten meist nur einen Tagesausflug zur Hütte und hatten wenig dabei, die Russen hatten die größten Rucksäcke und die Litauer die kurioseste Ausrüstung.
Otari, unser georgischer Bergführer, hatte vor elf Jahren an einer Studentenexpedition zum 7010 Meter hohen Khan Tengri im zentralasiatischen Tian-Shan-Gebirge teilnehmen dürfen. Seine Plastikschuhe hatte er von dieser Tour und wahrscheinlich auch den größten Teil seiner Ausrüstung. Die Steigklemme etwa, mit der er uns im Notfall aus einer Spalte retten wollte, wie er uns erklärte. Und er fügte entschuldigend hinzu, dass er sehr wohl wisse, dass Spaltenbergung auch ohne schweres Gerät möglich sei. Aber Otari war nicht nur wegen seiner Steigklemme unsere Lebensversicherung. Denn wer sich in Georgien beim Bergsteigen den Fuß verknackst, der hat neben den Schmerzen ein ernsthaftes Problem. Bergretter sind nicht organisiert, es gibt keine einheitliche Notfallnummer und keine hochmodernen Hubschrauber. Wem hier etwas passiert, der braucht neben einem Mobilfunknetz ein leistungsstarkes Netzwerk von guten Freunden, die ihrerseits viele leistungsstarke gute Freunde haben sollten. Die Retter müssen oft mehrere Stunden lang über holprige Schlaglochstraßen anfahren und zur Unglücksstelle aufsteigen. Als Otari auf der „Bethlemi-Hütte“ gleich mehrere Freunde traf und die sich überschwänglich freuten, ihn zu sehen, waren wir beruhigt.