Spanien : Acht Rubens im Niemandsland
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Die Soria: Lange, gerade Straßen ohne Verkehr, verstepptes Land, kahle Berge, sporadisch Äcker und Felder und Pinienwäldchen aus der Franco-Zeit, schüchterne Versuche, Bäume wieder anzusiedeln, während das Volk weglief. Bild: Picture-Alliance
Die Hochebene der kastilischen Provinz Soria ist ein Paradebeispiel für das „leere Spanien“. Doch sie hält einige Überraschungen bereit.
Abgeholztes, abgefressenes, aufgegebenes, verlassenes Land, eine sich selbst überlassene Steppe mit Gräsern und einzelnen Büschen und Bäumen, mal eine kleine Schafherde in großer Entfernung, trauriger Rest einer glorreichen Epoche, mal ein gepflügter Acker, mal ein Kornfeld, wie bestellt und nicht abgeholt. Der Wind fegt über das hügelige Gelände, die Luft ist klar, der Blick reicht weit und erreicht keine menschliche Siedlung, nur ferne Bergketten. Hier und da steht eine romanische Kapelle auf einem Hügel, dann neigt sich ein schiefer, altersschwacher Kirchturm seinem Ende zu, kündigt aber noch ein Dorf an. Die Kirche ist zäher als die Menschen, die vor der Unwirtlichkeit geflohen sind, das Dorf ist ohne Stimmen, die Häuser sind ohne Erinnerung, von der Zeit angenagt, abgenagt, von Stille und Vergessen bewohnt. Eine Viertelstunde später liegt ein weiteres Dorf im langen Todeskampf, bröckelt ab, zerfällt, seit die Menschen nicht mehr mit ihm sprechen. Abgestorbenes Land, ausgestorbene Dörfer. Einmal keimt Hoffnung auf, ein Traktor steht lautlos vor einem Schuppen, ein betagtes Auto vor einem Haus, doch da ist keine Bewegung im Dorf, kein Tier, kein Mensch lässt sich sehen oder hören.
Yanguas ist noch nicht gänzlich verlassen, Yanguas hat noch vierzig ständige Bewohner. Doch das Dorf ist vom guten Geist der Transhumanz verlassen. In der nördlichsten Ecke der Tierras Altas, des Hochlands von Soria, nahe der Grenze zur Rioja gelegen, war Yanguas Ausgangspunkt der großen „Cañada Real Soriana Oriental“, der Östlichen Königlichen Viehtrift von Soria bis nach Sevilla, mit achthundert Kilometern das längste Teilstück eines Wegesystems von hundertfünfundzwanzigtausend Kilometern quer durch Spanien zwischen den Sommerweiden des Nordens und den Winterweiden des Südens. Vor tausend Jahren war das Gebiet von Soria Bestandteil eines sehr breiten, sehr dünn bevölkerten Grenzstreifens zwischen den islamischen Reichen von Al Andalus und den christlichen Königreichen des Nordens, ein Niemandsland, in das Viehhirten nicht einzudringen wagten, wollten sie nicht von den Kriegern des Propheten oder christlichen Marodeuren wie Kaninchen gejagt werden.
Nur der Glockenturm hält sich noch aufrecht
Mit der sukzessiven Verschiebung der Grenze nach Süden vom elften bis dreizehnten Jahrhundert nahmen Schafzucht und Transhumanz ihren Aufschwung. Insbesondere Kastilien wurde zum Viehzüchterland und die Schafwolle sein Hauptexportartikel dank des Merinoschafs, das nomadische Berber vom Stamm der Meriniden in Al Andalus eingeführt oder – wie einige Historiker meinen – genuesische Kaufleute von Nordafrika nach Spanien gebracht hatten. Die hochwertige, feine, geschmeidige Merinowolle fand reißenden Absatz auf den Märkten Europas, das strenge Ausfuhrverbot für Merinoschafe sicherte Spanien bis zum achtzehnten Jahrhundert ein Quasimonopol für Merinowolle, den wichtigsten Rohstoff der europäischen Textilmanufaktur.