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Vogelpark Walsrode : Condor Carlos muss noch üben

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Einer der 82 Kolibris bei der Inventur des Vogelparks im Februar, bei der die Bewohner gezählt, gewogen und gemessen werden. Bild: dpa

Der Weltvogelpark Walsrode in der Lüneburger Heide ist der größte seiner Art. Und man kann dort viel mehr unternehmen, als nur seine viertausend gefiederten Bewohner zu beobachten.

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          Noch regt sich wenig in dem Terrarium, das von einem niedrigen Mäuerchen umgebenen ist, aber Cindy kriegt das schon hin. Gerade sieben oder acht Humboldt-Pinguine kommen nach vorne gewatschelt und blicken, leicht gebückt wie melancholische Kellner im Vierzig-Zentimeter-Format, die Tierpflegerin erwartungsvoll an. Die übrigen fünfundzwanzig bereiten sich in kleinen Felshöhlen schon aufs Brüten vor. Und ihre Brutplätze verlassen sie möglichst nicht, denn gar zu gern setzt sich dann ein Kollege oder eine Kollegin ins schon gemachte, steinige Nest und denkt gar nicht daran, wieder auszuziehen. Die richtig Hungrigen aber stürzen sich entschlossen ins Wasserbecken, als die Tierpflegerin die ersten Lodden hineinwirft. Wie elastische Torpedos schießen sie über- und untereinander hin und her und schnappen sich blitzschnell die silbrigen Fische.

          Eine Handvoll Besucher stimmt sich mit der Teilnahme an der Fütterung auf den Tag im Vogelpark Walsrode ein. Mit einem Mikrofon erklärt die Tierpflegerin, wen sie da vor sich haben: Humboldt-Pinguine leben an den Küsten Perus und Chiles und sind eine von achtzehn verschiedenen Pinguin-Arten. Sie werden um die fünfzig Zentimeter groß, sind im Durchschnitt vier Kilogramm schwer und liegen damit, gemessen an Größe und Gewicht, im Mittel aller Arten. Da von den übrigen Bewohnern immer noch nichts zu sehen ist, steigt Cindy jetzt ins Terrarium, kauert sich nieder und schwingt Fische appetitanregend hin und her. Da können die Höhlenwächter dann doch nicht widerstehen, tapsen heraus, schnappen blitzschnell zu und watscheln blasiert davon, ganz so, als wollten sie sagen, dass der morgendliche Lodden-Lieferservice heute etwas spät dran war.

          Jeder Pinguin ein eigener Charakter

          Ganz nebenbei serviert die Führerin den Besuchern ein paar weitere Wissensbrocken aus Brehms Tierleben: Wer wusste bisher schon, dass man Humboldt-Pinguine anhand ihres Punktemusters auf der Brust ganz genau unterscheiden kann? Der eine trägt mehr, der andere weniger Flecken, und die sind ganz unterschiedlich angeordnet. Auch wenn ein Vogel zehn Jahre alt ist und zehn Mausern hinter sich hat, bleibt dieses Muster immer gleich wie ein Fingerabdruck. So viel zur Wissenschaft, nun zum Persönlichen. Die Vögel sind nicht nur äußerlich verschieden, verrät die erfahrene Pflegerin, sondern jeder sei ein ganz eigener Typ. Der eine lasse sich gern streicheln, der andere gebe sich eigenbrötlerisch, beim dritten müsse man immer auf die Gestik achten: Drehe er den Kopf und gucke ganz eigen, beiße er meist gleich ins Bein.

          Rudelbaden bei den Humboldt-Pinguinen: Das Punktmuster ist ihr Fingerabdruck. Bilderstrecke
          Weltvogelpark Walsrode : Condor Carlos muss noch üben

          So erkenntnisreich beginnt der Tag im Vogelpark Walsrode in der Lüneburger Heide. Er ist nach eigenen Angaben mit einer Fläche von vierundzwanzig Hektar der größte seiner Art weltweit und nennt sich deshalb Weltvogelpark. Mehr als viertausend Vögel aus sechshundertfünfzig Arten tummeln sich in den Volieren und Tropenhäusern, paddeln über die Teiche und wachsen in den Kolibri- und Paradiesvögel-Aufzuchtstationen heran. Vor einer alten Bockwindmühle und einem alten Treppenspeicher blühen Tulpen und sprießt frisches Grün. Dazwischen kräht, piepst, trompetet, flötet, krächzt oder keckert immer irgendetwas, und der Rundgang führt von einem Prachtexemplar von Vogel zum nächsten.

          Wer speist schon gern unter Beobachtung?

          Regungslos steht der Schuhschnabel im Schilf, ein etwas verkniffenes, von jeder Hektik angewidertes Wesen, das nur das Nötigste an Bewegung vornimmt – eine leichte Drehung des Kopfes hin und wieder. Und schon ertappt sich der Besucher bei seiner eigenen Lieblingsbeschäftigung, die aus Sicht von Biologen eine Todsünde der Naturbeobachtung ist: Man sucht das vermeintlich Menschliche im Tier – und entdeckt es natürlich andauernd. Ähneln die rosa Flamingos, wenn sie nicht gerade den Kopf ins Wasser stecken, in ihrer abgeklärten Eleganz etwa nicht gelangweilten Models vor dem Auftritt? Geht es bei der Fütterung der Pelikane nicht wie bei einem vollkommen aus dem Ruder gelaufenen Kindergeburtstag zu? Und erinnert der afrikanische Sekretär, wenn er mit schwarzen Kniehosen aus Federn und seinen spindeldürren, behornten Waden, mit denen er normalerweise Schlangen tottritt, leichtfüßig über die Wiese hüpft, nicht frappant an einen tanzenden Bänkelsänger?

          Auf einem Ast zerlegt die Harpye, die sich im Regenwald gern einmal einen Affen aus den Baumkronen krallt, genüsslich eine Ratte und dreht dem Publikum den Rücken zu. Wer speist schon gern unter Beobachtung? In der Flughalle picken Inka-Seeschwalben mit weißem Schnurrbart den Besuchern ohne Scheu Mehlwürmer aus der Hand. Und allein die Namen vieler Gefiederten lesen sich wie ornithologische Lyrik: Sichelvanga, Mohrenklaffschnabel, Schwarzgesichtlöffler, Versicolorente. Wer zudem das Glück hat, an der Voliere der Paradiesvögel den Tierarzt zu treffen, erfährt endlich auch, wie diese zu ihrem Namen kamen: Da die farbenschillernden Vögel im siebzehnten Jahrhundert nur als ausgestopfte Bälge ohne Füße nach Europa gebracht wurden, nahm man an, sie wären paradiesische Wesen: Vögel, die ihr ganzes Leben im Flug in der Luft verbringen dürften, ohne je die Erde mit Füßen berühren zu müssen.

          Nur Vögel anzuschauen kann allerdings bald langweilig werden. Deshalb unternehmen die Betreiber des Vogelparks einiges, um Abwechslung in den Besuch zu bringen. So kann, wer einmal hinter die Kulissen schauen oder in die Rolle eines Hobby-Tierpflegers schlüpfen will, dies zu einem nicht ganz billigen Preis gerne machen. Und zweimal am Tag findet die große Flugschau statt. Etwa sechzig Vögel kreisen dabei am Himmel oder trippeln über die Erde: Gelbhaubenkakadus, Kronenkraniche, Rote Sichler. Zwei Wüstenbussarde schlagen ein künstliches Kaninchen, der Wanderfalke schießt mit dreihundert Stundenkilometern übers Publikum, und der mächtige Condor Carlos trifft im achten Lebensjahr den Landeplatz jetzt immer besser, verrät sein Trainer: Heute kam er nur noch zwanzig Meter vom Zielpunkt entfernt herunter.

          Im Vogelpark

          Weltvogelpark Walsrode, Am Vogelpark, 29664 Walsrode, Telefon: 05161/60440, www.weltvogelpark.de. Der Park ist noch bis zum 31. Oktober täglich von 10 bis 17 beziehungsweise 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt für Erwachsene 23 Euro, für Kinder von vier bis zwölf Jahren 17,50 Euro, für Familien 72,25 Euro. Hunde sind nicht erlaubt, kostenlose Hundeboxen stehen zur Verfügung. Führungen zu verschiedenen Themen kosten 60 Euro (bis zu 30 Personen), bei „meet & greet“ kann man sich eine Stunde lang mit seinen Lieblingsvögeln beschäftigen (70 Euro), drei Stunden als Hobby-Tierpfleger oder Hobby-Vogeltrainer kosten 150 Euro.

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