Unbekanntes Bukarest : Kommt, wir teilen ein Geheimnis!
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Direkt an der Flaniermeile: Das Kloster Stavropoleos in der Bukarester Altstadt. Bild: picture alliance / robertharding
Für ihre verwunschenen Gärten und die schummrigen Straßen macht die rumänische Hauptstadt keine Werbung. Zu entdecken gibt es dort trotzdem eine ganze Menge.
Die Lampen erlöschen, die Handykameras schieben sich Richtung Fenster. Auf Abendflügen das internationale Signal für: Gleich landen wir. Dutzende Displays filmen die Lichtpunkte Bukarests vor dem Tiefschwarz der Provinz. Auch wenn man die Wohnblocks noch nicht erkennt, blinzelt die Stadt ihren Besuchern bereits aus hundert Augen zu. Scheinbar leicht überrascht blinken die Werbetafeln von Coca-Cola und Co.: Schön, dass du da bist. Zumindest könnte man das denken, im Halbschlaf, am Fenster, wenn einem im Billigflieger plötzlich ein fremdes Handy vor dem Gesicht baumelt. Und wenn man weiß, dass jährlich kaum mehr als eine Million Ausländer Bukarest besuchen.
Geht man eine Liste der größten Städte der EU durch, dann kommen wie von selbst Erinnerungen an Studienfahrten, Filmszenen und Postkartenmotive auf: Schloss Schönbrunn, der funkelnde Eiffelturm, ein raues Kreuzberg. Dann kommt, auf Platz 7, Bukarest, und das innere Auge macht Pause. Die rumänische Hauptstadt wirkt wie der Sonderling, und nach nur wenigen Tagen lässt sich sagen: zu Recht. Und: zum Glück.
Zu Recht, weil die Stadt ihre Besucher ziemlich ratlos ins Vergnügen wirft. Besucht man die offizielle Website des Tourismusministeriums, „romania.travel“, ist sie nicht erreichbar. Telefoniert man Vertretungen in Deutschland ab, klingelt es ins Leere. Und zum Glück, weil man sich in dieser Stadt, für den Bukarester Schriftsteller Mircea Cărtărescu ein „Spinnennetz“ und „Labyrinth“, hervorragend auf eigene Faust verlaufen kann. Wohldosierte Fremde und Abstand von Deutschland also, mit Kartenzahlung als Standard und dem drittschnellsten Internet der EU.
„The future will be confusing“
Den Süden der Stadt kann man sich schenken. Endlose Plattenbauten, gefühlt hundertspurige Straßen – und doch nicht genug, denn aktuellen Studien zufolge verlieren die Bewohner keiner anderen Stadt so viele Stunden im Stau. Also direkt ins Zentrum und in den Norden, wo Gleichförmigkeit kein Thema ist und wo man sich hervorragend zwischen den Autos durchschlängeln kann. Die Calea Victoriei spaziert man am besten komplett entlang: Auf der langen Prachtstraße brühen die Hipster perfekten Kaffee, und es riecht nach frischem Brot, das man sich auf die neue Kleidung der Concept Stores nebenan krümeln kann. In den Seitenstraßen stehen Jugendstilvillen neben modernen Stahlkonstruktionen, Sowjetbauten neben hölzernen Hexenhäuschen. Nichts passt hier zusammen, im Schaufenster eines runtergerockten Wohnhauses steht in Leuchtlettern „the future will be confusing“. Man glaubt es sofort. Schon in der Gegenwart sammeln sich orientalische Einflüsse und Frankophilie, und vor allem Ceaușescus Programm der „Systematisierung“.
Für seine Alleen, pompösen Bauten und den monströsen Parlamentspalast südlich der Altstadt mussten in den Achtzigern ganze Stadtviertel weichen. Es wurden Klöster gesprengt, ein Drittel des historischen Zentrums verschwand. Heute ist Bukarest eine einzige gemischte Tüte, die die Bewohner kreativ weiterdenken. Direkt am Nationalmuseum etwa, wo orthodoxe und moderne rumänische Kunst hängt, steht ein eigenartiges Haus: Aus der Renaissance-Hülle mit rotem Backstein ragen Quader aus Stahl und Glas. Was früher das Hauptquartier der Geheimpolizei Securitate war, ist heute Sitz des Architektenverbands.