Der Baum soll dein Freund sein
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Ei mit Aussicht: In dieser Kapsel verbergen sich zweiunddreißig gemütliche Quadratmeter mit Fußbodenheizung und Solarstrom. Bild: Stefanie Bisping
Zwischen Wald und Wiese stehen in Betzigau im Oberallgäu überdimensionale Eier neben alten Buchen. In ihnen verbergen sich Apartments aus Holz, so kuschelig wie Hobbit-Höhlen.
Die schmale Straße, die sich den Hügel hinaufwindet, liegt in tiefer Dunkelheit, und die Sicht endet im strömenden Regen vor den Scheinwerfern. Wenigstens der Bauernhof, in dem sich die Rezeption des Baumhaushotels Allgäu befindet, ist beleuchtet. Ein zehnjähriger Knabe mit blondem Schopf und blitzenden Augen sitzt dort, überreicht den Schlüssel und erklärt in reizend voralpinem Tonfall den Weg: „Zur Straße hinauf, links abbiegen, nach dreihundert Meter in den Kiesweg einbiegen und vorm Landei Ahorn parken.“ Es klingt einfach genug. Zurück also in die Finsternis der Straße Kaisersmad, die ihren Namen einem Kaiser verdanken soll, der hier einst in bukolischer Laune sein Pferd zügelte und in den Ernteprozess eingriff. Tatsächlich zweigt auf der Hügelkuppe jäh ein Schotterweg ab. Im Tal funkeln einsame Lichter, der Wind heult wütend, Bäume biegen sich. Wir schaukeln auf die Lichter zu. Es sind Baumhäuser. Eier sind allerdings keine zu sehen. Erst eine Suche zu Fuß mit Taschenlampe bringt ein riesiges Ei ans Licht. Noch immer gießt es. Viele Stufen führen zu Terrasse und Eingang hinauf. Dort erscheint hinter der Glastür das erschrockene Gesicht einer Frau. Es ist wohl nicht das richtige Ei. Ein anderes ist unbewohnt, steht aber noch kurz vor der Fertigstellung. Auch passt der Schlüssel nicht. Wir verwünschen die Verheerungen auf der A 8, die uns die späte Ankunft im sechs Kilometer von Kempten entfernten Betzigau beschert haben. Doch dann finden wir eine weitere eigentümliche Silhouette zwischen Ästen und Regenböen: das Landei Ahorn.
Innen ist alles Holz, Duft und Wärme. Mit einem Schlag steigern die Widrigkeiten des Wetters draußen noch das Wohlgefühl innen. Zart bebt das Landei im heftigen Wind auf seinem voluminösen Stahlpfahl. Gehalten wird es zusätzlich durch Stahlseile. Seine drei Ebenen bestehen aus einem Schlafzimmer ganz oben mit hoher Kuppel, Balkon und einem Fenster über dem Bett, das in klaren Nächten Sternenblicke öffnet. Ein weiteres, höhlenartiges Schlafzimmer befindet sich ganz unten, dazwischen der Wohnbereich mit Küche, Esstisch und großem Bad. Alle sind sie durch steile Leitern miteinander verbunden. Damit der Gast sich in der Nacht nicht zu Tode stürzt, lässt sich der Zugang zur Leiter abdecken. Die Architektur erfordert eine gewisse Grund- oder Restgelenkigkeit, macht das Landei aber nicht nur für Kinder unwiderstehlich.
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