Das Jo-Jo des Reichskanzlers
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Strenges Ritual: Bei der Trinkkur in Bad Kissingen sind alle Anweisungen der unerbittlichen Brunnenfrauen zu befolgen. Denn zu viel des Guten ist nicht gut. Bild: Christian Knull
Superlative an der Saale: In Bad Kissingen kann man Europas größtes Ensemble historischer Kurbauten bestaunen. Und das ist nur eine von vielen Attraktionen in dem fränkischen Städtchen.
Erotisch-prickelnde Klänge aus der „Blume von Hawaii“ verspricht Reinhold Roth, und seine weiche, fränkisch gefärbte Stimme füllt mit ihrem rollenden „R“ das Halbrund der Muschel, in der das Salonorchester Platz genommen hat. Wir lehnen uns erwartungsvoll zurück. „Eine Melodie des ungarischen Operettenkönigs Paul Abraham, die hört man doch gern.“ Roth trägt einen taillenkurzen Rock mit Schößen. Er greift zur Trompete, wir fühlen uns in einen Schwarz-Weiß-Film versetzt und schließen die Augen. „Doch zunächst der ‚Torero-Marsch‘ von Schorsch Bizet.“
Ein Garten Eden als Arbeitsplatz
Seit 1836 wird in Bad Kissingen Kurmusik gemacht, anfangs mit Böhmer Musikern, später mit den Wiener Symphonikern. Heute ist die Staatsbad Philharmonie Kissingen international besetzt und spielt als traditionelles Salonorchester ein breites Repertoire an Ouvertüren, Walzern und Polkas. Mit 727 Auftritten in einem Jahr sind die Badphilharmoniker sogar ins Guinness-Buch der Rekorde gekommen. Ihr Arbeitsplatz ist beneidenswert, denn die Wandelhalle in Bad Kissingen gleicht einem Garten Eden. Aus ihren hohen Fenstern quellen üppige, lindgrüne Farne und Gräser wie Wasserfälle und stürzen übermütig ins Innere, hinab zu den Säulen, die das neunzig Meter lange Gewölbe tragen. Wir sitzen um einen Majolikabrunnen unter einer Kassettendecke mit azurblauem Himmel. Über uns eine Lichtkuppel, vor uns die Apsis, in der das Orchester musiziert. Alles an der größten Wandelhalle Europas, die Max Littmann im Jahr 1911 schuf, hat sakrale Bezüge, der dreischiffige Grundriss, die hohen Decken, der paradiesisch blühende Oberrang.
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