Auf Zanderjagd in Italien : Aus der Tiefe
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Zeit für Zander: Warten ist wesentlicher Bestandteil eines jeden Angelausflugs im Po-Delta. Bild: Julius Schophoff
Am Po-Delta in Italien wollen Vater und Sohn einen Fisch fangen, der ihnen noch nie an den Haken ging: den Zander.
Unser Boot steht im trüben, grünen Fluss. Wir haben in einem stillen Altarm des Po festgemacht, über Heck geankert, den Bug in einer Silberweide vertäut. Wortlos sitzen wir da, mein siebenjähriger Sohn und ich, am Himmel Federwolken und eine milchige Sonne, davor: die Spitzen unserer Ruten. Ihre gespannten Schnüre reichen bis zum Grund, in fünf Meter Tiefe laufen sie durch Tropfenbleie; einen Meter dahinter hängen, an der Schwanzwurzel gehakt, zwei Lauben, im Nebel des Morgens am Steg gestippt. Die Köpfe haben wir mit einer Schere abgetrennt, damit die Köderfische, aufgetrieben durch ihre Schwimmblasen, ein Stück aus dem Dickicht ragen. Ihre silbergrünen Flanken haben wir auf jeder Seite dreimal eingeritzt, damit ihr Duft die Räuber anlockt.
Jetzt muss er nur noch beißen: unser erster Zander.
Es ist unsere erste Angelsaison. Mein Sohn wollte schon lange am Fluss vor unserer Tür fischen. Aber ich hatte meinen Angelschein vor 20 Jahren verloren, und es dauerte eine Weile, bis ich alle Papiere zusammen hatte: Kopie des Prüfungszeugnisses des Landessportfischerverbandes Schleswig-Holstein e.V., Fischereischein vom Umweltamt Regensburg, Jahres-Fischereierlaubnisschein der Öffentlichen Fischereigenossenschaft Winzer (obere Donau).
Seither gibts kein Halten.
„Gehen wir heute angeln?“ Er fragt das jeden Tag. Noch nie hat den Jungen irgendetwas so fasziniert wie das: angeln, angeln, angeln.
Das erste Mal, im Januar, mit taubgefrorenen Händen: nichts.
Im Februar: der erste Fisch, eine Grundel, fingerlang.
Im März: der erste Brocken, ein kiloschwerer Döbel.
Im Juni: eine schöne Nase, die so aussieht, wie sie heißt.
Im Juli, mit dem Vater seines Freundes, eine Sensation: ein Aal, armdick und beinlang, geräuchert, mmh.
Im September, als der Junge in die Schule kam, konnte er nicht lesen oder schreiben, aber wusste alles über Laufbleie und Posenmontagen, Wurfgewichte und Stahlvorfächer, Spundwandkescher und Strömungskanten. Rotaugen, Rotfedern, Rapfen, Barsche, kleine Welse – alles ging uns an den Haken. Nur einer nicht: der Zander.
Das legendäre Auge
Sander lucioperca, der größte unter den Barschen, ein Räuber der Tiefe. Schlanker, kräftiger Körper, dunkle Streifen auf den goldgrünen Flanken. Zweigeteilte Rückenflosse, der vordere Teil stachelig wie der Kamm eines Drachen. Spitzer Kopf, tief gespaltenes Maul mit langen „Hundszähnen“, wie Angler sie nennen. Dadrüber: sein legendäres „Glasauge“ – wobei wir das nie so richtig verstanden haben. Wir haben ja nie in eins geblickt.
Deshalb sind wir jetzt hier, am Po-Delta, südlich von Venedig. Breit und grün und schwer strömt der Fluss auf seinen letzten Kilometern vor der Mündung durchs Land und trägt Schwimmholz und ganze Stämme mit sich. Tauben schwärmen aus kahlen Kronen, Kormorane stürzen sich auf Lauben. In unserem Altarm, vom Hauptstrom abgeschnitten, steht ein Fischreiher auf einem rostigen Kahn, reglos und geduldig. Wir hören das Platschen jagender Rapfen, die Schreie streitender Reiher und starren auf die Spitzen unserer Ruten. Und warten.
Und warten.
Und warten.
War da was? Der Junge beugt sich nach vorne, legt den Kopf zur Seite, visiert die Angelspitze. Aber nein, da war nichts. Nur das Boot, das leicht ins Schaukeln geriet und dadurch die Schnur bewegte.
Köderfisch auf Grund: Das ist eine Methode, einen Zander zu fangen. Zwei andere haben wir am Vortag ausprobiert, mit Andy. Andreas Gutsch, Österreicher: Auch er wollte als Junge immer nur Angeln. Mitte der Neunziger, mit Anfang zwanzig, kam er zum ersten Mal her, fing mehr und größere Fische als irgendwo sonst. Er kaufte eine verfallene Ziegelei am Fluss und machte sie zu „Andy’s Wallercamp“: angeln, angeln, angeln.