Selbstversuch : Da haben wir den Salat!
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Dieser Salat wird weder von Schnecken noch Kälte bedroht. Bild: Kathrin Jacob
Seit acht Wochen wächst in unserem Keller Gemüse – in einem Spezialzelt unter LED-Licht. Zeit, Bilanz zu ziehen.
Im hellen Licht des Tages wirken die sattgrünen und dunkelroten Blätter wie gemalt. Nein, diesem Salat sieht man nicht an, dass er ein Kellergewächs ist, in einem kleinen Spezialzelt gezogen, wie es im Cannabisanbau verwendet wird. Nie hat er die Sonne gesehen. Dafür bestrahlt ihn eine LED-Leuchte, deren Leistung 300 Watt entspricht, täglich zwölf Stunden lang zuverlässig mit ihrem rot-blauem Licht. Anfangs werden die dreizehn Setzlinge der Sorten Lollo Rosso und Lollo Biondo, zu denen sich noch fünf Senfkohlpflänzchen gesellen, kaum merklich größer. Erst nach einigen Tagen haben sich die Kellerzöglinge akklimatisiert, wie von Nils Andreas prophezeit.
Der Chef das Frankfurter Gartenfachgeschäfts Samen Andreas hat uns beim unterirdischen Anbau beraten. Die beiden von ihm spendierten Dünger haben wir, gärtnerische Dilettanten durch und durch, so eingesetzt: die herkömmliche Nährstoffmischung für den von Anfang an kräftigeren Lollo Rosso, das Bio-Gemisch für Senfkohl und den mickerigen Lollo Biondo. Prompt sieht es am Tag der Ernte im Zelt so aus: Der Salat mit den rötlich eingefärbten Blättern strotzt geradezu im Topf, während sein grüner Verwandter zwar ebenfalls zugelegt hat, bei weitem aber nicht so üppig ist. Appetitlich wirkt unter Kunstlicht keine Sorte. Ein wenig erinnern die krausen Blätter des Gemüses an Krötenhaut. Besser sieht der Senfkohl aus. Nur macht er so wenig her, dass wir uns kaum ein Blatt zu ernten wagen. Die Neugier siegt. Wie das Gemüse wohl schmeckt?
Kosten für den LED-Salat
Die zweite Frage, die uns umtreibt: Was kostet so ein LED-Salat? In Szenarien zur Ernährung der Zukunft kommt immer wieder der Anbau von Obst und Gemüse in der Stadt ins Spiel. Denn die Prognosen gehen davon aus, dass in nicht allzu ferner Zeit zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben werden. Neben Fassaden und Dachlandschaften als Anbauflächen spielt auch das „Indoor Farming“ eine Rolle. Kann sich so etwas auch für den Einzelnen lohnen?
Gut acht Wochen später wissen wir in jeder Hinsicht mehr. Keine Schnecke hat sich am Salat gelabt. Wir pflücken unversehrtes, staubfreies Gemüse, das schmeckt, wie es schmecken soll: knackig, frisch, mild. Ein unbekanntes Glücksgefühl stellt sich ein. Die Anbaumethode macht es dem Laien aber auch leicht. Weder Dauerregen noch Kälte haben uns gärtnerisch gefordert und den Erfolg gefährdet. Unter gleichbleibenden Bedingungen ist der Salat vor sich hingewachsen. Ganz wie geplant. Doch gibt es eine positive Überraschung. Anders als erwartet braucht er nicht alle vier bis fünf Tage Wasser, sondern kommt – gut gewässert – locker acht Tage aus, ohne schlappzumachen. Der Wasserverbrauch in unserem Growzelt ist so minimal, dass in den acht Wochen, großzügig überschlagen, 3 Cent anfallen.
Anders sieht es mit dem Stromverbrauch aus. Das Messgerät zeigt für LED-Leuchte und die notwendige Lüftungsanlage insgesamt rund 123 Kilowattstunden an. Wir beziehen Ökostrom zu einem Tarif von 28 Cent die Kilowattstunde. Umgerechnet auf die achtzehn Zöglinge, hat jeder bis zum Ablesetag Strom für 1,90 Euro verbraucht. Das klingt nach einem Salatpreis wie aus dem Handel, wo Blattgemüse ungefähr zwischen knapp 1 Euro und 2,30 Euro kostet – je nach Sorte, Saison und Discounter oder Bioladen. Nur ist darin dann schon anteilig alles eingepreist – von den Investitionskosten über den Transport bis hin zur Gewinnmarge der Händler. In unserem Fall haben Zelt, LED-Leuchte, Erde, Töpfe und Dünger zusammen 300 Euro gekostet. Günstigster Posten sind die Setzlinge für 21 Cent das Stück. Würde der Versuch am Tag der Ernte enden, kostete jeder Salat überschlagen 18,50 Euro. So viel steht fest: Wir müssen noch einige Jahre gärtnern, damit sich unsere Investition wenigstens ein bisschen lohnt.
In Zukunft leben 9 Milliarden Menschen auf der Erde. Wie werden sie satt, ohne dass der Planet kollabiert? Ein Jahr lang suchen wir Antworten.
Mehr erfahrenIst der Indoor-Anbau also doch nur eine Spieler- oder gar Spinnerei der Großstadthipster? Anruf bei Heike Mempel, Professorin an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) und Spezialistin für Gewächshaustechnik. „Keineswegs“, sagt sie. Konzepte zum Anbau von Gemüse und Obst unter LED-Licht in der Großstadt können durchaus sinnvoll und auch wirtschaftlich sein. Nicht von ungefähr entstehen solche Projekte vor allem im Zusammenhang mit einem bestimmten gastronomischen Angebot, das auf regionale Vermarktung setzt, unabhängig von der Jahreszeit. Zudem: Was die Inhaltsstoffe angeht, ist unter LED-Licht gezogenes Gemüse gleichwertig, wenn nicht besser als herkömmlich produziertes. Es sei der große Vorzug dieser Technik, dass man mit ihrer Hilfe bestimmte Inhaltsstoffe einer Pflanze ganz gezielt fördern oder auch reduzieren könne, erläutert die Professorin. Gewusst wie, können sich das Küchenchefs, die Pharma- oder Lebensmittelindustrie zu Nutzen machen. Durch die Möglichkeit, das Spektrum gezielt zu beeinflussen, sind Leuchtdioden in diesem Punkt den in Gewächshäusern üblichen Natriumdampflampen, aber auch dem Sonnenlicht überlegen, sagt Heike Mempel und ergänzt: „Das Potential der LED-Technik ist da in vielerlei Hinsicht längst noch nicht ausgereizt.“
Deren Bedeutung wird daher künftig noch zunehmen, ist sich die Gartenbauprofessorin sicher. Zum Beispiel in der Jungpflanzenproduktion. Oder auch in Gegenden der Welt, wo man wegen der klimatischen Gegebenheiten fast alle Nahrungsmittel importieren müsse und sich so ein Stück unabhängiger machen könne. Grundsätzlich werde der Indoor-Anbau mit Hilfe von LEDs aber eine Nische bleiben, urteilt Heike Mempel. Nicht zuletzt der Kosten wegen. „Die Sonne ist immer günstiger.“
In unserem Keller geht es trotzdem weiter. Dort ist der Lollo mittlerweile ordentlich nachgewachsen. Und als Nächstes wollen wir uns dann an ein Gemüse wagen, das auf dem Nordbalkon garantiert nicht wächst: Aubergine.