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Norddeutschland : Der Wolf kehrt zurück

An vielen Orten Deutschlands treffen die Wölfe auf ideale Bedingungen: reichlich Wild und große Waldgebiete. Der Wolf auf diesem Bild lebt aber im Wildpark. Bild: dpa

Im Norden Deutschlands passiert, womit niemand gerechnet hat: Der Wolf verbreitet sich viel rascher als gedacht. Ihn erwarten Betreuer und Managementpläne. Auch die Politik beschäftigt sich mit ihm.

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          Jens-Uwe Matzen sucht Wolfsspuren. „Da vorn am Waldrand hatten wir Mitte April ein Rotwildriss“, sagt er. „Es war ganz typisch, der Wolf hatte sich buchstäblich in den Bauch gefressen, den Pansen aber beiseitegelegt. Den mögen Wölfe nicht.“ In Sichtweite schimmern die Dächer des holsteinischen Dorfes Langenlehsten durch das Maigrün. Die Grenze zu Mecklenburg liegt in der Nähe. Dem Jagdpächter war gesagt worden, dass da totes Wild lag. Der für die Gegend zuständige sogenannte Wolfsbetreuer kam hinzu. Der Fall wurde registriert, eine DNA-Probe genommen. Wenn die ausgewertet ist, wird man wissen, woher genau der Wolf kam. An solchen Stellen, wo ein Wolf nachgewiesen wurde, fährt Matzen als Koordinator der Wolfsbetreuer von Schleswig-Holstein immer wieder mal vorbei, wenn er das Land durchstreift. Er sucht aber auch nach anderen Spuren. Manchmal findet sich Losung, also Wolfskot. Oder mit großem Glück Abdrücke im Schnee. Im Winter 2013 folgte Matzen einer solchen Spur, ungefähr drei Kilometer weit. Er wollte gerade aufgeben, da stand der Wolf plötzlich da, vielleicht hundert Meter von ihm entfernt. „Zwei, drei Sekunden haben wir einander angesehen. Dann war er fort.“

          Frank Pergande
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

          Ein Wolf sei es gewesen, klar. Charakteristisch die Rute, das Hochbeinige, der dreieckige Kopf mit der langen Schnauze. Charakteristisch auch, dass das Tier nicht gleich weglief, sondern kurz stehenblieb und sich dann ohne Hast entfernte. Für die Wolfsbetreuer ist es wie ein Ritterschlag, den Gegenstand ihrer Bemühungen auch mal dort gesehen zu haben, wo er allerdings immer häufiger lebt: in der freien Natur.

          Landwirte haben Recht auf Entschädigung

          2009 fingen die ersten ehrenamtlichen Wolfsbetreuer in Schleswig-Holstein an, inzwischen sind es 38. Den ersten Wolf in Schleswig-Holstein fand man 2007, es war ein überfahrenes Tier. Damals wurde ein Runder Tisch der Jäger, Schafhalter und Naturschützer ins Leben gerufen. Inzwischen gibt es im Land zwei Dutzend Wolfsnachweise. Und der jüngste machte Schlagzeilen: In Schierensee bei Kiel starben im April auf der Weide 52 Schafe. Sechs hatte der Wolf gerissen, einige andere angegriffen. Die verletzten Tiere mussten getötet werden. Der Wolf stammte aus einem in Sachsen-Anhalt lebenden Rudel. Der Landwirt hat zwar ein Recht auf Entschädigung. Es gibt auch finanzielle Hilfen für geeignete Zäune, auch für Hunde, die die Herde schützen sollen. Den betroffenen Landwirt, der vom Lämmerverkauf lebt, kann das aber nicht wirklich beruhigen: „Wenn der Wolf bleibt, muss ich aufgeben, denn ich kann mich nicht wehren, sondern nur zusehen.“

          Auf der Hut: Ein Schäfer kontrolliert mit seinen Hunden einen neu errichteten Elektro-Zaun zum Schutz seiner Herde.
          Auf der Hut: Ein Schäfer kontrolliert mit seinen Hunden einen neu errichteten Elektro-Zaun zum Schutz seiner Herde. : Bild: ZB

          Gerade sein Fall aber hat auch zu Veränderungen im Umgang mit Wölfen, dem sogenannten Wolfsmanagement, von Schleswig-Holstein geführt. Organisiert wird die Arbeit der Betreuer künftig staatlich über das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume. Der zuständige Minister Robert Habeck von den Grünen will 100.000 Euro zusätzlich in das Wolfsmanagement von Schleswig-Holstein investieren. Gleich zweimal beschäftigte sich die Landespolitik kürzlich mit dem Wolf, erst mit einer Informationsveranstaltung, dann in einer Landtagsdebatte.

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