Tod trotz Ökosiegel : Warum Delfine beim Fischfang sterben müssen
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MSC-Siegel auf einer Fischverpackung Bild: Wilfried Huismann
Das blau-weiße MSC-Siegel gilt als Auszeichnung für nachhaltig gefangenen Fisch. Doch die Organisation gerät immer stärker in die Kritik – vor allem seit sie den Thunfischfang vor Mexiko erlaubt hat, bei dem auch Delfine sterben.
Das blau-weiße Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) ist in Deutschland besonders beliebt. Es soll nachhaltige Fischprodukte auszeichnen. Das Logo prangt unter anderem auf Thunfisch-Pizza von Dr. Oetker, auf Fischstäbchen von „Käpt‘n Iglu“ und Katzenfutter von Whiskas. MSC gilt als größtes Ökosiegel für Wildfisch weltweit, und viele Kunden vertrauen darauf, wenn sie im Supermarkt ins Tiefkühlregal greifen. Aber hält es, was es verspricht?
Der Filmemacher Wilfried Huismann hat sich auf eine Spurensuche begeben. Sie führte ihn bis in den Pazifik vor Mexiko, wo er der Frage nachging, ob die mexikanische Thunfisch-Fischerei tatsächlich so nachhaltig ist, dass sie seit Kurzem ein MSC-Siegel verdient hat. Denn mit der Zertifizierung hat sich der MSC über die Bedenken vieler Meeresschutzorganisationen hinweggesetzt. Huismann kehrte ernüchtert von seiner Recherchereise zurück. „Der MSC ist eine Art Besserungsanstalt für die Fischindustrie“, sagt er. „Auch fragwürdige Praktiken werden zertifiziert, wenn die Unternehmen bloß Besserung geloben.“
Offiziell fast 500 tote Delfine jedes Jahr
Weltweit tragen schon mehr als 28.000 Produkte das MSC-Siegel, allein in Deutschland sind es 6300. Um für fünf Jahre zertifiziert zu werden, müssen Unternehmen nachweisen, dass sie die Fischbestände schützen, ihre Tätigkeit sich nur „minimal“ auf das Ökosystem auswirkt und ihr Fischerei-Management „wirkungsvoll“ ist. Ob diese Kriterien erfüllt sind, entscheiden externe Gutachter im Einzelfall.
Der MSC sucht eine Balance zwischen Fischerei und Naturschutz. Nach eigenem Bekunden gelingt ihm das hervorragend. Seit dem Jahr 2000 hätten 94 Prozent der zertifizierten Fischereien „mindestens einen Aspekt ihres Fischereibetriebs verbessert“, jubelt die Organisation. Von „1238 vielversprechenden Ergebnissen“ ist die Rede. Als „Verbesserung“ gilt es allerdings schon, wenn lediglich mehr Daten erhoben werden oder auf den Fangschiffen ein Beobachter mitfährt.
Viele Umwelt- und Meeresschutzorganisationen halten die Anforderungen des MSC für zu niedrig und zu unbestimmt. So zertifiziert der MSC grundsätzlich jede legale Fangmethode, also etwa auch die ökologisch fragwürdige Fischerei mit Grundschleppnetzen. Greenpeace beklagt: „Bei dieser aggressiven Fischereimethode werden riesige, schwere Netze über den Meeresboden geschleift. (…) Dabei zerquetschen und begraben sie alles unter sich, was ihnen in den Weg kommt.“ Der MSC verdammt Grundschleppnetze nicht. Schließlich sei der Meeresboden nicht überall gleich.
Umstritten ist auch die Methode der mexikanischen Thunfisch-Jagd. Dabei macht man sich eine Besonderheit im Ostpazifischen Ozean zunutze, wo die begehrten Gelbflossen-Thunfische oft mit Delfinen vergesellschaftet sind: Während die Delfine an der Oberfläche schwimmen, halten sich die Thunfischschwärme bis zu 150 Meter darunter auf. Um an den Thunfisch zu kommen, ortet man also die Delfine und treibt sie mit Schnellbooten in sogenannte Ringwadennetze. Der MSC betont, alle Netze seien mit einem „Sicherheitsschutz“ versehen, durch den sich Delfine befreien könnten. Und wenn ihnen das nicht gelänge, würden sie durch Taucher ins Freie „geleitet“. Trotzdem werden bei dieser aggressiven Fangmethode immer wieder Delfine verletzt oder getötet. Auf den 36 zertifizierten mexikanischen Schiffen sollen es weniger als 500 Todesfälle im Jahr sein, behauptet der MSC. Filmemacher Huismann findet jedoch Hinweise darauf, dass es in Wirklichkeit viele Tausend sind und die „rigorosen Kontrollmechanismen“ (MSC) versagen.