Vor der Wahl in Thüringen : Regiert in Erfurt bald die „Zimbabwe-Koalition“?
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Bodo stellt sich vor: Der thüringische Ministerpräsident und Spitzenkandidat der Linken Anfang September bei der Präsentation seiner Wahlkampagne Bild: dpa
Am Sonntag könnte die Linke in Thüringen stärkste Kraft werden. Das ist ihr bisher in keinem Bundesland gelungen. Ob Bodo Ramelow mit Rot-Rot-Grün weiterregieren kann, ist aber unklar. CDU-Kandidat Mike Mohring würde jedenfalls gern ein Vierer-Bündnis bilden.
Vor der Landtagswahl in Thüringen am Sonntag zeichnet sich jüngsten Umfragen zufolge weder eine klare Mehrheit für die Fortsetzung von Rot-Rot-Grün noch für ein bürgerliches Bündnis unter Führung der CDU ab. Laut ZDF-Politbarometer, für das zwischen dem 23. und 24. Oktober 1177 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte in Thüringen befragt wurden, käme die Linke auf 28 und die CDU auf 26 Prozent.
Damit hat die CDU im Vergleich zu vergangenen Umfragen zwar bis zu fünf Prozentpunkte aufgeholt, läge aber immer noch deutlich unter ihrem Ergebnis von 2014, als sie mit 33,5 Prozent stärkste Kraft wurde. Andere Umfragen sahen die Linke etwas stärker und die CDU dagegen schwächer. Die Linke könnte demnach ihr Ergebnis von vor fünf Jahren halten.
Anders als in Brandenburg und Sachsen, wo sie bei den Landtagswahlen im September große Verluste einfuhr und nicht mehr mitregieren wird (Brandenburg) beziehungsweise ihre Oppositionsführerschaft verlor (Sachsen), wird die Linke in Thüringen womöglich stärkste Kraft. Das schaffte die Partei bisher noch nie in einem Bundesland.
Die Liberalen müssen bangen
Die AfD wiederum sehen die Meinungsforscher in Thüringen auf Platz 3 mit 21 Prozent, was einer Verdoppelung ihres Ergebnisses von 2014 entspräche. Alle anderen Parteien liegen unter zehn Prozent; die SPD käme auf neun, die Grünen auf sieben und die FDP auf fünf Prozent.
Die Liberalen, die in der Woche vor der Wahl großflächig „Das Zünglein an der Waage“ plakatierten, müssen nach wie um den Einzug in den Landtag in Erfurt bangen. Sollten sie es anders als in Brandenburg und Sachsen jedoch schaffen, hätte die derzeit regierende rot-rot-grüne Koalition unter Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), der 2014 46 Prozent der Stimmen für eine eigene Mehrheit reichten, wahrscheinlich keine Mehrheit mehr.
Andererseits hat auch die CDU keine eindeutige Machtoption, was sowohl an der Stärke der Linken als auch am mutmaßlich guten Abschneiden der AfD liegt, die zusammen auf mehr als 50 Prozent der Stimmen kommen könnten. Der Thüringer CDU-Vorsitzende Mike Mohring würde jedoch gern ein bisher noch nie dagewesenes Vierer-Bündnis mit SPD, Grünen und FDP bilden. Mit dieser „Bürgerlichen Koalition der Mitte“, die unter Flaggen-Vergleichs-Fans auch schon „Zimbabwe-Koalition“ genannt wird, wolle er das Land einen und die Kraft weg von den Rändern lenken, sagte Mohring. Doch auch diese Koalition hätte der jüngsten Umfrage zufolge derzeit keine Mehrheit.
Müsste Mohring eine Minderheitsregierung tolerieren?
Sollte es weder für Rot-Rot-Grün noch für Schwarz-Rot-Grün-Gelb reichen, bliebe Bodo Ramelow zunächst im Amt, und zwar so lange, bis sich irgendeine Mehrheit im Landtag auf einen Ministerpräsidenten-Kandidaten geeinigt hat. Anders als in den meisten anderen Ländern kennt die Thüringer Verfassung keine Frist, bis zu der nach einer Wahl ein neuer Regierungschef gewählt werden muss. Ein solcher Prozess könnte sich also sehr lange hinziehen.
Möglich wäre, dass sich die CDU dann doch noch auf eine der bisher ausgeschlossenen Varianten zubewegt, wobei das kaum die AfD sein dürfte, mit der Mike Mohring anders noch als 2014 heute nichts zu tun haben will. So bezeichnete er den AfD-Vorsitzenden Björn Höcke jüngst auf einem Forum als Nazi, der seine Partei nach rechts radikalisiere. Zwar will Mohring auch nicht mit der Linken zusammenarbeiten, doch könnte angesichts einer Hängepartie in Erfurt der Druck auf ihn wachsen, sich doch in Richtung Ramelow zu bewegen und eine Minderheitsregierung unter ihm zu tolerieren.
Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck jedenfalls hatte der Thüringer CDU jüngst empfohlen, zumindest das Gespräch mit der Linken zu suchen. „Ich muss doch imstande sein, einen Hardcore-Kommunisten, der Mitglied der Linken ist, zu unterscheiden von einem Ministerpräsidenten, der aus der gewerkschaftlichen Tradition stammt und der doch gezeigt hat, dass er mit einem linken Profil dieser Gesellschaft nicht schadet“, sagte Gauck.
Angesichts der Gemengelage könnte es also gut sein, dass Thüringen in den kommenden fünf Jahren von einer Minderheitsregierung geführt wird. Die Möglichkeit von Neuwahlen im Falle eines Scheiterns der Regierungsbildung haben dagegen praktisch alle Parteien ausgeschlossen.
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