Landtagswahl in Sachsen : Das braune Fell des Teddybären
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Holger Szymanski, der Vorsitzende der NPD Sachsen, bei einer Kundgebung in Dresden Bild: picture alliance / dpa
Bei der Europawahl bekam die NPD bundesweit nur ein Prozent der Stimmen. In Sachsen sieht es anders aus: Hier zieht die rechtsextreme Partei am nächsten Sonntag womöglich zum dritten Mal in den Dresdener Landtag ein.
Für ein bisschen Ausländerfeindlichkeit hat Jürgen Gansel immer Zeit. Der sächsische NPD-Abgeordnete spaziert durch die Wohnblocks der Kleinstadt Riesa und wirft den Bewohnern das Parteiblättchen „Sachsen Stimme“ in den Briefkasten. Familie Böhm bekommt eins, die Reddigs auch, die Rumpfs, auch Familie Krohn. Auf einem Briefkasten steht der Nachname Thi, einer der häufigsten Namen in Vietnam. „Dort wohnen wohl Ausländer“, sagt Gansel, „das Papier können wir uns sparen.“
Seine Hand wandert schnell einen Schlitz nach unten – zu den Kirbachs. Polnische Namensendungen auf -ski bringen Gansels Weltbild in eine Bredouille. Einerseits klingen sie nach dem Land, dessen „kriminelle Banden“ Deutschland bedrohen, wie Gansel schon 2012 in einer Landtagsrede behauptete. Andererseits heißt der Vorsitzende seiner Fraktion und des NPD-Landesverbandes ausgerechnet Holger Szymanski. Also bekommt die Familie Kowalski aus Riesa, vielleicht nicht zu ihrer Freude, von Gansel auch eine NPD-Zeitung in den Briefkasten gelegt.
Was Gansel tut, könnte mehr sein als die Wahlkampfroutine eines Abgeordneten. In den pseudo-informativ gestaltetenen Handzetteln und Zeitungen der NPD könnte ein Grund für ihre steigenden Umfragewerte liegen. Noch im Januar und März stand die sächsische NPD in Umfragen bei einem Prozent. Die übrigen Fraktionen im Landtag hofften, im Plenarsaal auf die Anwesenheit von Gansel und seinen Mitstreitern in Zukunft verzichten zu können. Ein Wahlergebnis in dieser Größenordnung schien folgerichtig: Die NPD hatte bei der Europawahl bundesweit nur ein Prozent der Stimmen erreicht, bei der Bundestagswahl nur 1,3 Prozent. Kritiker eines NPD-Verbotsverfahrens, wie der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), sprachen von einer „sterbenden Partei“. Am vergangenen Freitag verbreitete die NPD hingegen eine Jubelmeldung. Zwei voneinander unabhängige Institute – Infratest Dimap und Forschungsgruppe Wahlen – sahen die Partei in Sachsen bei fünf Prozent. Der Einzug in den Landtag schien wieder möglich.
Mit Flugblättern um sächsische Wählerstimmen werben
Fragt man Gansel, wie er sich die Umfragewerte seiner Partei erklärt, zeigt der auf den Zeitungsstapel unter seinem Arm. „Weil wir von den Medien ignoriert werden, lernen die Menschen uns erst durch unsere Wahlwerbung kennen, das zeigt offenbar Wirkung.“ Seit Wochen läuft er jeweils mit einem Stapel aus Zeitungen und Flugblättern unter dem Arm durch sächsische Dörfer und Kleinstädte. Jeden Werktag von sieben Uhr morgens bis 17 Uhr am Nachmittag. 80.000 Exemplare der „Sachsen Stimme“ haben er und andere in Briefkästen geworfen, dazu wurden 850.000 Flugblätter gedruckt, insgesamt will die NPD bis zum Wahltag angeblich 1,5 Millionen Flugblätter und Zeitungen verteilen.
Dass im Irak westliche Journalisten von Islamisten geköpft werden; dass die Asylbewerberzahlen wegen Notlagen in aller Welt steigen; und dass sich mit Crystal Meth eine furchteinflößende Droge in Sachsen verbreitet, ist für die NPD ein Glücksfall – sie kann die Ressentiments, die solche Nachrichten auslösen, für sich nutzen. Ihre Parolen sind freilich trügerisch. So schürt die NPD Ängste vor Überfremdung – in einem Bundesland mit einem Ausländeranteil von gerade einmal 2,2 Prozent. Sie warnt vor Kriminalität durch osteuropäische Banden – obwohl die Kriminalität entlang der Grenze 2013 im Vorjahresvergleich – ohne ausländerrechtliche Verstöße – um 4,3 Prozent gesunken ist. Sie bekämpft den geplanten Moscheebau der Leipziger Ahmadiyya-Gemeinde mit der Überschrift „Sachsen braucht keinen Islamismus!“ – dabei existiert innerhalb der gemäßigten Ahmadiyya-Gemeinde kein radikaler Flügel, in Hessen ist die Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt.