Wahl in NRW : Warum sich die Grünen nur leise freuen
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Ein weiterer Sieg: Robert Habeck am Montag in Magdeburg Bild: dpa
In Nordrhein-Westfalen haben die Grünen ihr Ergebnis fast verdreifacht – trotzdem trumpfen sie nicht auf. Sie wissen, welches Risiko Höhenflüge mit sich bringen.
Wie viel Bundespolitik steckt in einer Landtagswahl? Es kommt sehr darauf an, ob auf diese Frage der Wahlgewinner oder Wahlverlierer antwortet. Dann aber ist es vorhersehbar: Als die SPD im Saarland triumphierte, verbuchten es die Sozialdemokraten im Bund für sich, die CDU dagegen meinte, es sei nur um Landespolitik gegangen. Umgekehrt verhielt es sich in der vergangenen Woche in Schleswig-Holstein. Interessant ist vor diesem Hintergrund die Reaktion der Grünen auf das Rekordergebnis in Nordrhein-Westen. Die Partei kam auf 18,2 Prozent der Stimmen, ihr Ergebnis von 2017 hat sie damit fast verdreifacht. Es ist jetzt schon klar, dass die Grünen an der nächsten Landesregierung beteiligt sein werden. Nun sehen sie sich von CDU und SPD umworben und sind nicht das Zünglein an der Waage, sondern eher der Schweinswal.
Es wäre ein leichtes für die Grünen im Bund, dieses Ergebnis als Beweis dafür zu lesen, wie gut die grünen Minister in Berlin ihre Arbeit machten. Land auf, Land ab gibt es Lob für Vizekanzler Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock, sogar Friedrich Merz, der CDU-Vorsitzende kam ein „Chapeau“ über die Lippen. Doch Ricarda Lang, die Bundesvorsitzende, trumpft nicht auf, schon gar nicht auf Kosten der Ampel-Partner in Berlin. Im Gegenteil: In der Sendung „Anne Will“ am Sonntagabend sagt sie: „Niemand hat den Wahlkampf in die Bundesregierung hineingetragen“, deshalb sei die Bundesregierung durch das Wahlergebnis nicht beschädigt. Deutschland brauche eine stabile Regierung. „Und die haben wir nach wie vor in der Ampel“, so Lang.
Die Grünen wissen, welches Risiko Höhenflüge mit sich bringen. Das liegt nicht nur daran, dass ihnen oft eine harte Landung folgt. Derzeit ist ein anderes Szenario gefährlicher: Dass SPD und FDP angesichts der grünen Stärke nervös werden und in Versuchung geraten könnten, dem erfolgreichen Koalitionspartner zu schaden. Es ist ein alter Hut, dass Koalitionen nur dann stabil sind, wenn die Partner sich gegenseitig etwas gönnen können. Das hatte sich die Ampel im Herbst fest vorgenommen.
Traum vom sozialdemokratischen Jahrzehnt geplatzt
Schon nach der Wahl in Schleswig-Holstein, wo die Grünen ebenfalls das beste Ergebnis der Landesgeschichte erzielten, wurde Lang von Journalisten gefragt: Ob das nicht das gute Verhältnis zur SPD in der Bundesregierung störe, wo doch schon die grünen Minister denen der SPD den Rang abliefen? Nein, man arbeite vertrauensvoll als Team zusammen, sagte Lang am vergangenen Montag.
Und nun ist eine weitere Woche vergangen und damit ein weiterer Sieg für Grüne und weitere Niederlagen für die beiden anderen Partner gekommen. Die FDP hat in diesem Jahr bei drei Landtagswahlen hintereinander schlechte Ergebnisse erzielt, im Saarland gab es zwar leichte Gewinne, aber für den Einzug in den Landtag reichte es nicht. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, eigentlich Stammländer der Freien Demokraten, haben sie bitter verloren. Der Traum eines sozialdemokratischen Jahrzehnts ist schon wieder zerplatzt, im Norden war das Ergebnis mau und im Westen kam es letztlich gar nicht zu einem Zweikampf. Für die Grünen war es im Saarland nicht gut gelaufen, aber nun regnete es an zwei Sonntagen hintereinander grün.
Diese Lage in den Ländern passt zum Bild, das die drei Parteien in der Bundesregierung abgeben. Der Kanzler hat verstanden, dass er seine Politik besser erklären muss, aber so richtig will es ihm nicht gelingen. Er wirkt weit weg – und Baerbock und Habeck stoßen in diese Lücke. Die FPD fällt vor allem durch Krawall auf. Erst am Freitag hatten Abgeordnete aus Protest die Sitzung des Verteidigungsausschusses verlassen, weil sie frustriert waren über die Antworten des Kanzlers. Die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte Olaf Scholz mehrfach öffentlich angegriffen. Das hat sich nicht ausgezahlt. „Jede Partei macht anders auf sich aufmerksam“, sagt ein Grüner, „die Kanzlerin fährt nach Kiew.“ Gemeint ist Baerbock, die als erste Vertreterin der Bundesregierung in die Ukraine gereist ist und dort die richtigen Worte gefunden und die passenden Bilder produziert hat. Es wäre die Aufgabe des Kanzlers gewesen, doch der wollte wegen der Ausladung des Bundespräsidenten nicht fahren.
Die Grünen haben verstanden, dass sie solche Sätze derzeit nicht so oft und nicht so laut sagen dürfen. Sie wollen SPD und FDP nicht unnötig provozieren, denn diese könnten sich rächen. Die Grünen müssen sich dieser Tage leise freuen.