Sieg in NRW : Merz sieht CDU zurück auf Platz eins
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Friedrich Merz (rechts) und Hendrik Wüst am Montag im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin Bild: Andreas Pein
Die CDU hat die Wahl in NRW gewonnen und sieht sich schon wieder an der Spitze der deutschen Parteien. Ist das verfrüht?
Wo Friedrich Merz ist, da ist aus seiner Sicht die Spitze nicht fern, soweit er sie nicht selbst personifiziert. Am Montag stellte der Vorsitzende der konservativen Partei fest: „Die CDU ist zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien.“ Der Kurs der Union – damit also seiner – sei „mehr als nur bestätigt“ worden. Und natürlich habe die Wahl in Nordrhein-Westfalen auch „ein bundespolitisches Ergebnis“ gehabt, so Merz. Dann sprach er über seinen politischen Hauptrivalen, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der sei im Westen „flächendeckend plakatiert worden – und das ist das Ergebnis: das schlechteste Resultat der Nachkriegszeit für die SPD in NRW.“ Und eben auch für Scholz, wie Merz findet. Merz selbst hingegen kann an diesem Montag im Adenauer-Haus die zweite Woche hintereinander Erfolge in den Ländern mitfeiern.
Mann des Tages ist dabei nicht er selbst, sondern Hendrik Wüst, dem es innerhalb von 200 Tagen gelungen war, sich selbst im Land Anerkennung und Sympathie zu erwerben und zugleich den SPD-Vorsprung von neun Prozentpunkten auf einen Rückstand von ebenfalls neun Prozentpunkten zu drehen. Das ist ungefähr so, als würde eine Fußballmannschaft ein 0:3 in ein 6:3 verwandeln. Ganz beruhigt kann Wüst dennoch nicht in die Sondierungsgespräche gehen, die er „mit allen demokratischen Parteien“ führen will. In Berlin sprach man am Montag von „einem kleinen Wunder“, so als könne man den eigenen Erfolg selbst noch nicht ganz fassen. Wüst hat Grund zur Vorsicht.
Anders als im Fußball könnten sich in der Politik zwei große Verlierer – SPD und FDP – zusammenfinden, um gemeinsam mit den Grünen dem Sieger Wüst noch ein Bein zu stellen. Die Sozialdemokraten waren dem schon zugeneigt, als sie in Umfragen hinter die CDU zurückfielen. Auf Deutungen am Rande oder jenseits der Zahlenrealität war die Union gefasst und hatte für die erste Abwehr Jens Spahn losgeschickt, der in Diskussionen auch mal kräftig zulangen kann.
Die CDU führte am Sonntag den Kampf um die Deutung des Wahlergebnisses kurz und heftig. Nach zwei Stunden war auch diese Schlacht geschlagen. Während die Sozialdemokraten nach altem Rezept abermals versuchten, aus einem schockierend schlechten Ergebnis den insgeheim innewohnenden Regierungsauftrag abzulesen, konnte sich die Union auf aktuelle Zahlen stützen. Bereits kurz nach Schließung der Wahllokale empfahl Spahn seiner Partei die Sektflaschen zu öffnen, man habe nämlich den Regierungsauftrag, der Wahlsieger sei Hendrik Wüst. Das bestritt die SPD zunächst rundheraus und behauptete, Wüst sei mit der FDP abgewählt worden. Spahn sagte dazu: „Ich schreibe diese Verrenkungen der SPD einfach dem Schock zu.“
Brandt hilft immer, wenn in der SPD Untergangsstimmung aufkommt
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert leitete aus veralteten Umfragen einen rot-grünen Herzenswunsch der Wähler in Nordrhein-Westfalen her. Dann bemühte er noch Willy Brandt, der vor einem halben Jahrhundert auch mal aus zweiter Reihe an die Macht gekommen war. Brandt hilft immer, wenn in der SPD Untergangsstimmung aufkommt, mochte er sich gedacht haben. Diesmal aber nicht. Um das Ergebnis etwas besser aussehen zu lassen, als es ist, erinnerten Kühnert und Parteichef Lars Klingbeil später unentwegt daran, dass die SPD vor einem Jahr bei 17 Prozent gestanden habe und seitdem Enormes geleistet habe.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja konnte es sich später in der Berliner Runde denn auch nicht verkneifen zu erwähnen, dass die NRW-SPD zwar, offenbar heraufgezogen von Olaf Scholz, im vergangenen Oktober bei 33 Prozent gelegen hatte. Dass sie aber auch am Sonntag, nunmehr von Scholz herabgezogen, auf einem historischen Tiefststand gelandet ist.
Günther und Wüst als Konkurrenten für Merz?
Der Selbstbetrug flog auf. Denn mit geradezu jeder neuen Hochrechnung schwand der Sozialdemokratie ein Sitz im Düsseldorfer Landtag und damit bereits die Voraussetzung für eine rot-grüne Koalition – nämlich eine ausreichende Zahl von Mandaten. Gegen 20 Uhr war der Deutungskampf mit der SPD für die CDU schon mal gewonnen.
In Bund und Land wird seither fortgesetzt, was auch Merz seit Wochen tut: Die Grünen werden gelobt, die Grünen werden umworben. Merz hatte sich am Wahlabend zunächst zurückgehalten. Ostentative Bescheidenheit ist eigentlich nicht so seine Stärke. In dieser Disziplin ist Generalsekretär Czaja einfach besser. So beließ es Merz bei einem Tweet. Natürlich beginnen mit den ersten Erfolgen nach schwerer Wahlniederlage bei der Bundestagswahl sogleich wieder die Fragen nach einer Kanzlerkandidatur.
In der Pressekonferenz wollte man von Merz wissen, ob Wüst oder Daniel Günther nicht gefährliche Konkurrenten werden könnten. Für so was hat der Sauerländer derzeit vor allem ein spöttisches Lächeln übrig. Ansonsten beließ er es bei einem Satz: „Ich freue mich über jeden, der Wahlen gewinnt in der CDU. Das stärkt uns alle.“