Absolute Mehrheit für Tories : „Die EU verlassen ohne Wenn und Aber“
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Klarer Wahlsieger: Boris Johnson am frühen Freitagmorgen vor der Parteizentrale der Tories in London Bild: dpa
Klarer Sieg für Boris Johnson: Bei der Wahl in Großbritannien erhält er mit seinen Konservativen die absolute Mehrheit. Damit hat er freie Bahn für seinen Brexit-Deal und kann das Land am 31. Januar aus der EU führen.
Premierminister Boris Johnson und seine konservativen Tories gehen als klare Sieger aus der Parlamentswahl in Großbritannien hervor. Die Partei errang nach Auszählung von 649 der 650 Wahlkreise am Freitagmorgen mindestens 364 Sitze und damit die absolute Mehrheit im Unterhaus. Die Labour-Partei von Jeremy Corbyn auf 203 Mandate – ein historisch schlechtes Ergebnis. Die proeuropäischen Liberaldemokraten erzielten demnach 11 Mandate.
Damit hat Johnson, der seit Anfang September keine Mehrheit mehr im Unterhaus hatte, freie Bahn für seinen Brexit-Deal und kann Großbritannien wie geplant zum 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union führen.
Seine Regierung habe „ein mächtiges Mandat erhalten, den Brexit durchzuziehen“, sagte Johnson am frühen Freitagmorgen in London. Er will den Austritt seines Landes aus der Europäischen Union Ende Januar umsetzen. Er wolle den Brexit „fristgerecht erledigen“, sagte Johnson am Freitagmorgen. Großbritannien werde „ohne Wenn und Aber“ die EU am 31. Januar verlassen, sagte der Premierminister. Diese Wahl setze den Drohungen mit einem zweiten Referendum ein Ende.
Oppositionsführer Jeremy Corbyn erkannte die Niederlage von Labour an und kündigte seinen Rückzug von der Partei nach einer Übergangsphase an. Er werde seine Partei nicht in die nächsten Wahlen führen, sagt er in der Nacht zum Freitag. Er werde ihr aber bei der Diskussion über ihre Zukunft vorstehen. „Das ist offensichtlich eine sehr enttäuschende Nacht.“ Die Partei müsse nun abwägen, wie es weitergehe. Corbyn hat seinen Wahlkreis gewonnen.
Die SPD-Europapolitikerin Katarina Barley dämpfte die Hoffnung auf ein rasches Ende des Brexit-Streits. Johnson habe mit „der leeren Versprechung“ gepunktet, den Brexit schnell abhandeln zu können, erklärte die Vizepräsidentin des Europaparlaments am späten Donnerstagabend der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Zunächst müsse der Austrittsvertrag durch das britische und das Europäische Parlament. „Und danach geht es erst richtig los: Die zukünftige Beziehung des Vereinigten Königreiches mit der EU muss verhandelt werden“, erklärte Barley. „Johnson will das in wenigen Monaten schaffen – das wird nicht funktionieren.“
Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.
Ratspräsident Michel: Bereit für die nächsten Schritte
EU-Ratspräsident Charles Michel zeigte sich kooperativ. „Wir werden sehen, ob es für das britische Parlament möglich ist, das Austrittsabkommen zu akzeptieren“, sagte Michel nach dem EU-Gipfel in der Nacht zum Freitag in Brüssel. „Falls das der Fall ist, sind wir bereit für die nächsten Schritte.“
Johnson gelang es, seinen Londoner Wahlkreis Uxbridge mit klarer Mehrheit zu halten. Der Tory-Vorsitzende versammelte rund 7000 Stimmen mehr auf sich als sein nächster Mitbewerber, wie die örtliche Wahlleitung am frühen Freitagmorgen bekanntgab. Im Vorfeld waren Spekulationen laut geworden, Johnson könnte seinen Parlamentssitz verlieren, seine Partei die Wahl aber insgesamt gewinnen. Dies hätte die Position des Premierministers schwächen können.
Die Chefin der britischen Liberaldemokraten, Jo Swinson, verlor ihr Mandat. Das teilte der zuständige Wahlleiter im schottischen Dunbartonshire East mit. Ihr Sitz ging an die Kandidatin der Schottische Nationalpartei SNP. Swinson hatte sich dafür ausgesprochen, den Brexit einfach abzusagen. Noch vor wenigen Monaten gab sie das Ziel aus, Premierministerin zu werden. Die Liberaldemokraten gehören zu den Verlierern der Wahl.
Sturgeon will zweites Referendum
Die Vorsitzende der Schottischen Nationalpartei (SNP), Nicola Sturgeon, kündigte nach der Parlamentswahl an, für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum kämpfen zu wollen. „Boris Johnson hat erstens kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen und zweitens kein Recht zu verhindern, dass das schottische Volk über seine eigene Zukunft bestimmt“, sagte die schottische Regierungschefin am frühen Freitagmorgen in der BBC. Die sozialdemokratisch und pro-europäisch ausgerichtete Schottische Nationalpartei hat bei der Wahl am Donnerstag hervorragend abgeschnitten und erzielte nach der Auszählung von 649 von 650 Wahlkreisen mindestens 48 Sitze.
Auf Betreiben der SNP war es bereits 2014 zu einem Referendum über die Unabhängigkeit Großbritanniens vom Vereinigten Königreich gekommen. Die Schotten hatten eine Abspaltung damals jedoch mehrheitlich abgelehnt. Der britische Premierminister Boris Johnson sieht ein zweites Referendum, das wohl von Westminster genehmigt werden müsste, skeptisch.