Klaus Wowereit : Die Stadt bin ich
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Wenig Brot aber reichlich Spiele: Wowereit wirft im Wahlkampf Plüschtiere in die Menge Bild: Matthias Lüdecke / FAZ
Klaus Wowereit macht Wahlkampf im Stile eines Kampfhunds. Er knurrt, er bellt, er beißt. In Berlin kommt das gut an. Wowereit führt sich auf, als sei in Berlin eine absolute Mehrheit für Respekt und Verehrung auf Lebenszeit zu gewinnen.
Berlins Regierender Bürgermeister kann schlagfertig, großzügig, geduldig, präzise und selbstbewusst sein, und seit einigen Monaten ist er es auch. Klaus Wowereit ist in großer Form. Mit Renate Künast hatte eine prominente Grünen-Politikerin den Angriff auf ihn gewagt und in der SPD hatte es Argwohn gegeben, in der Partei liefen bereits zu viele Kanzlerkandidaten herum sowie den Zweifel, ob der Wahlkampf Wowereit aus seiner Lethargie werde reißen können. Also tat Wowereit, was zu tun war. Vor dem Parteitag der Berliner SPD im Mai sagte er, die SPD habe viele gute Kandidaten, die für sein Amt in Frage kämen, „aber nicht so’n Guten wie mich“. Und als er im Januar während einer Runde in der Industrie- und Handelskammer nach Ansiedlungserfolgen – beziehungsweise nach deren Ausbleiben – gefragt wurde, schaute er sich mit gespieltem Erstaunen um und fragte, ob er wirklich bei der IHK säße. Ob tatsächlich Unternehmer glaubten, dass Politiker Arbeitsplätze schafften.
Wowereit kann lustig sein. Aber in diesem Wahlkampf ist er es häufig nicht. Seine aggressive Seite zeigt er auffällig oft und auffällig öffentlich, wenn besonders viele zuschauen. In der letzten Sitzung des Abgeordnetenhauses fiel er zum Jubel von SPD und Linkspartei über alle anderen her. Zum Spitzenkandidaten der FPD sagte er: „Sie sind gar nichts mehr“. Zu dem der CDU: „Ihr Amtsvorgänger, Herr Pflüger, ist wenigstens noch im grünen Kaschmirpullover hier aufgetaucht“. Und dazu, dass er auf Bedingungen der Grünen für eine Koalition nicht eingehen werde: „Ja, was ist denn dann, Herr Ratzmann? Dann bleibt Ihr Anzug wieder im Schrank hängen wie beim letzten Mal, oder was?“
Die SPD bleibt wohl die stärkste Partei
Beim „Duell“ mit CDU-Kandidat Frank Henkel guckte er, als sei schon dessen Anwesenheit eine Zumutung. Danach ging er, offenbar beleidigt, dass man ihm nicht mehr vorzügliche Hochachtung entgegengebracht hatte. Beim Auftritt in der „Berliner Zeitung“ klagte er, diese habe ihn schon mal „wie den letzten Provinzdepp“ dargestellt. Kritik der Südländer an seinem Finanzgebahren konterte er derartig pampig, dass Renate Künast ihm „gute Verrichtung“ wünschte, „wenn das der Tonfall ist, als Nehmerland mit Geberländern zu reden“. Die Moderatoren des „Duells“ mit Frau Künast wies er auf ihre Dienstpflichten hin: „Sie haken da nicht nach“. Er entschied, er sei „mit meiner Zeit ganz gut dabei“ und könne daher weiterreden. Auf Avancen der Grünen antwortete er einfach nicht.
Als Wahlkämpfer führt Wowereit sich auf, als sei in Berlin eine absolute Mehrheit für Respekt und Verehrung auf Lebenszeit zu gewinnen. Wenn auf Umfragen etwas zu geben ist, zahlt sich seine Kampfhundstrategie aus: Die SPD bleibt wohl die stärkste Partei, sie hätte die freie Wahl der Partner – CDU, Grüne, eventuell auch wieder die Linkspartei. Wahlkampf ist für Wowereit ein Lebenselixier. Er genießt es, im Untergeschoss eines Einkaufszentrums in Wedding „Wowi-Bären“ in die Menge zu werfen, als seien es Brautsträuße und keine Plüschtiere. Geduldig posiert er für Touristen, die ihn nach einer Pressekonferenz zur Bahnanbindung des neuen Flughafens im Hauptbahnhof fotografieren wollen. Er eröffnet ein „Hundereha- und Trainingszentrum“ und lässt sich mit einem Kampfhund an der Leine für eine Boulevardzeitung fotografieren. Auch hat er sein ideales Wahlkampf-Format gefunden: Er lässt sich interviewen – und zwar von jemandem, den seine Partei bezahlt. „Sie haben die Hauptschule abgeschafft – sind Sie zufrieden?“ Das sind Fragen, auf die er gern antwortet.