Frank Henkel : Der Überraschungskandidat
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Seit er die Nummer eins ist, gewinnt er durch Fleiß und Integrität. Dass er hart arbeitet, sieht man. Dass er ehrlich ist und verlässlich, hört man von seinen Parteifreunden. Hatte er unmittelbar nach seiner Wahl auf die Frage, was er denn anders machen würde als Pflüger, erwidert, man werde nun keine grünen Krawatten mehr sehen, bereinigte Henkel seither systematisch das zerstörte Verhältnis der Berliner Union zur Bundes-CDU, sorgte für Verständigungen zur Wirtschafts- und Integrationspolitik, erarbeitete Positionen, die er mit großer Klarheit nach innen und außen vertritt. Inzwischen tritt Angela Merkel oft und offenbar gern vor den Berliner Parteifreunden auf, die sie jahrelang vergeblich durch die Blume oder durch ihren Generalsekretär zu besserem Benehmen zu mahnen hatte.
Der Versuchung, sich im Meinungskampf gegen die SPD die auch in bürgerlichen Kreisen populären Thesen Thilo Sarrazins zu eigen zu machen, widerstand er. Vom islamfeindlichen René Stadtkewitz, der inzwischen mit Geert Wilders für seine Partei "Freiheit" wirbt, trennte er sich. Henkel wurde 1963 in Berlin-Mitte geboren, als die Mauer schon die Stadt teilte. Er ist katholisch. Als er 17 war, konnte er mit seinen Eltern aus der DDR ausreisen - vier Jahre, nachdem sie einen Ausreiseantrag gestellt hatten. Nach einer kaufmännischen Ausbildung studierte er Wirtschaftswissenschaften, Public Relations und Journalismus. Zur großen Rechtsanwaltsfraktion der CDU gehört er nicht.
Mit ihm an der Spitze spielt die Berliner CDU nicht "die West-Karte", wie Wowereit im "Duell" spitz sagte, sondern sie gewinnt allmählich im Osten an Substanz und Glaubwürdigkeit. Kürzlich etwa fanden sich gut 60 Menschen in einem Lokal in Marzahn-Hellersdorf ein, um mit Bildungsministerin Annette Schavan und der Berliner Bundestagsabgeordneten Monika Grütters über Bildungspolitik zu diskutieren. Den Wahlkreis gewinnt seit vielen Jahren Mario Czaja (CDU) direkt, auch wenn die Union sonst im Osten mit einstelligen Ergebnissen abschneidet. Zielgruppenveranstaltungen wie die mit Frau Schavan finden laut Monika Grütters guten Zuspruch. Wenn auch noch Prominenz an Ort und Stelle sei, wirke das besser als Kulis und Plakate.
Sogar vor den Grünen
Nicht nur die Umfragen sind gut für die CDU, jedenfalls besser als gedacht, auch ihre Plakate werden nicht annähernd so hingebungsvoll verschmiert und geschändet wie in früheren Wahlkämpfen. Die Zwanzig-Prozent-Marke überschreitet sie in den letzten Wochen regelmäßig, nun liegt sie sogar vor den Grünen und hat diese als Überraschungsfaktor dieses Wahlkampfs abgelöst. Wowereit und die SPD lassen keinen Zweifel daran, dass die Berliner CDU, entsprechende Wahlergebnisse vorausgesetzt, als Koalitionspartner in Frage kommt. Die Grünen schließen erst seit kurzem ein Bündnis mit der Union kategorisch aus. Gelegentlich wird gestichelt, man wisse ja nicht, wie es hinter Henkel in der CDU aussehe.
Ihre ruhig und betont seriös gestaltete Wahlkampagne hat die CDU aus aktuellem Anlass um ein Motiv bereichert. Vor dem Bild ausgebrannter Autos persifliert sie den SPD-Slogan "Berlin verstehen" mit der Gegenfrage: "Muss Berlin das verstehen?". Noch ist nicht auszumachen, ob das ein Geniestreich war oder ob es noch mehr Wasser auf Wowereits Mühlen wird. Gegen Henkels Kritik, der Regierende Bürgermeister habe keine Strategie gegen die Autobrandstiftungen, hat dieser sich inzwischen mit Zahlen zur Polizeistärke anderer Ländern munitioniert. Dem Hinweis, solche Täter würden am wirksamsten von Polizei und aufmerksamen Bürgern gemeinsam verfolgt, würde sich Henkel außerhalb von Wahlkampfauftritten wohl anschließen. Vom stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch, ist überliefert, dass er seinerzeit die Zählgemeinschaft zwischen CDU und PDS mitorganisierte, die 2001 einen CDU-Kandidaten zum Bürgermeister von Berlin-Mitte wählte.