Coats verlässt Trump-Regierung : Der letzte Erwachsene geht
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Nicht der Rücktritt von Geheimdienstdirektor Dan Coats (links) ist überraschend, sondern dass er so spät erfolgt. Bild: AFP
Lange klammerten sich traditionelle Republikaner an die Vorstellung, dass die „Erwachsenen“ im Kabinett Trump schon im Zaum halten würden. Dass sich diese Theorie längst erledigt hat, zeigt der Abgang des Geheimdienstdirektors.
Zu den vielen Episoden der Trump-Ära, die es gewiss in die Geschichtsbücher schaffen, gehört jener Auftritt Dan Coats’ auf einem Sicherheitsforum in Aspen, Colorado, im Sommer 2018. Gerade hatte der amerikanische Präsident nach einem Treffen mit Wladimir Putin in Helsinki den Befund seiner Nachrichtendienste weggewischt, dass Russland sich in die Präsidentenwahl 2016 eingemischt habe: Er sehe keinen Grund, warum es Russland gewesen sein solle, sagte er. Putins Dementi sei sehr überzeugend gewesen.
Der Satz hatte zu einem Aufschrei unter Sicherheitsfachleuten und auch in der Republikanischen Partei geführt, die Trump seinerzeit noch nicht gänzlich in Geiselhaft genommen hatte.
Als Coats kurz darauf auf dem Podium in Aspen saß, konfrontierte ihn eine Moderatorin mit einem aktuellen Twitter-Beitrag des Weißen Hauses: Der Präsident habe Putin für den Herbst nach Washington eingeladen. Dem Nationalen Geheimdienstdirektor fiel buchstäblich die Kinnlade herunter: „Sagen Sie das noch mal?“ Sodann: „Okaaaay, das wird sicher ungewöhnlich.“
Trump musste seine Äußerungen korrigieren
Ungewöhnlich war nicht nur die Einladung ins Weiße Haus, die Putin zu Hause als Prestigeerfolg gefeiert hätte, schließlich hatte die westliche Staatengemeinschaft nach der russischen Intervention in der Ukraine den Kontakt zu dem Kremlherrn auf das Nötigste beschränkt. Ungewöhnlich war auch, dass der Chefaufseher der amerikanischen Geheimdienste über die Einladung eines Staatschefs, dem er Cyberangriffe gegen das eigene Land vorwarf, nicht im Bilde war.
Zu dem Washington-Besuch Putins kam es bekanntlich nicht. Auch musste Trump seine Äußerungen von Helsinki auf eine Art korrigieren, die an die Grenze der Selbstachtung ging. Er halte es für nötig, etwas zu klären: Im Schlüsselsatz seiner Äußerung habe er sich versprochen. Er habe sagen wollen, er sehe keinen Grund, warum es nicht Russland gewesen sein solle.
Nicht der Rücktritt Coats’, der am Sonntag bekanntwurde, ist überraschend, sondern dass er so spät erfolgt. Schon nach dem Helsinki-Gipfel, der in Washington als Demütigung der eigenen Nachrichtendienste bewertet wurde, war damit gerechnet worden, dass er hinschmeißt. Damals freilich gab es noch eine andere Logik: Traditionelle Republikaner klammerten sich an die Vorstellung, dass die „Erwachsenen“ im Kabinett gleichsam als Aufpasser tätig seien und zumindest das Schlimmste verhüten würden.
Noch saß John Kelly als Stabschef des Weißen Hauses in der Schaltzentrale, und noch kontrollierte Jim Mattis als Pentagon-Chef das Militär. Coats soll immer wieder drauf und dran gewesen sein, seinen Rücktritt einzureichen. Auch soll Trump mehrfach erwogen haben, den 76 Jahre alten früheren Senator und Botschafter in Deutschland zu entlassen. Doch verhinderte Vizepräsident Mike Pence offenbar sowohl das eine als auch das andere.
Die Differenzen zwischen Trump und Coats blieben offenkundig: In Kongressanhörungen sagte der Geheimdienstdirektor, es sei unwahrscheinlich, dass Nordkorea sein Nukleararsenal aufgeben werde. Er sagte auch, Iran nehme derzeit sein Atomprogramm nicht wieder auf. Das war, bevor die Sekundärsanktionen gegen das Land im Mai in Kraft traten, die das Regime in Teheran unter Druck setzen. Schließlich widersprach er Trump auch in der Gefahrenanalyse der Terrororganisation „Islamischer Staat“ in Syrien.
Ganz grundsätzlich wehrte sich Coats gegen die Politisierung des Sicherheitsapparats: In einer Rede vor Geheimdienstmitarbeitern sagte er im Januar, es sei ihre Pflicht, die Wahrheit herauszufinden. „Und wenn wir die Wahrheit gefunden haben, dann sprechen wir sie aus.“
Trump dankte Coats auf Twitter
Trotz dieser Differenzen soll Trump Coats noch im Februar gebeten haben, im Amt zu bleiben. In der vergangenen Woche aber kündigte er in einem Gespräch mit dem Präsidenten an, was diesem schon vorher zu Ohren gekommen war: Es sei nun Zeit, etwas anderes zu machen, soll Coats gesagt haben. Man verständigte sich darauf, dass der Wechsel zum 15. August vollzogen werde.
Trump dankte Coats auf Twitter für seine Arbeit. Anders als im Falle von Mattis löst der Abgang keine größeren Erschütterungen aus. Wohl wird kolportiert, dass der einflussreiche Senator Richard Burr aus North Carolina, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses in der zweiten Kammer, gegenüber Mitarbeitern des Weißen Hauses Bedenken über die Nominierung John Ratcliffes als Nachfolger geäußert haben soll, weil das Profil des Abgeordneten zu parteipolitisch sei.
Auch äußerten Demokraten wie Chuck Schumer, der Minderheitsvorsitzende im Senat, die Berufung sei sicher wegen Ratcliffes „blinder Loyalität“ erfolgt. Doch hat sich die Theorie von den „Erwachsenen“, die Trump im Zaum halten, ohnehin längst erledigt.