Ist Bernie Sandes noch einzuholen, wenn er die Vorwahlen in den frühen Staaten für sich entscheiden kann? Bild: AP
Immer mehr Demokraten werden nervös, weil der linke Senator Bernie Sanders in Iowa und New Hampshire an der Spitze der Vorwahl-Umfragen steht. Eine gezielte Kampagne gegen ihn birgt Risiken.
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Eine öffentlich finanzierte Krankenversicherung für alle, ein flächendeckender Mindestlohn von 15 Dollar und höhere Steuern für die Reichsten – für viele Amerikaner bedeuten diese Vorschläge schon „Sozialismus“. Und tatsächlich nennt sich auch Bernie Sanders, der sie in den vergangenen Jahren populär machte, einen demokratischen Sozialisten. Der unabhängige Senator aus Vermont hat besonders unter jungen Wählern viele Fans. Niemand sammelte im Vorwahlkampf bislang so viele Einzelspenden wie er – und keine andere Kampagne hat so viele enthusiastische Freiwillige. Hinter Sanders stehen einflussreiche Linke wie die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, Bands wie „The Strokes“ geben Benefiz-Konzerte für ihn.
Das zahlt sich aus: Im vom Umfrageaggregator „Real Clear Politics“ errechneten Durchschnitt führt Sanders inzwischen in Iowa mit 23,8 Prozent vor dem früheren Vizepräsidenten Joe Biden mit 20,2 Prozent. In dem agrarisch geprägten Bundesstaat entscheiden die Wähler am 3. Februar über ihren Favoriten und die Delegierten zum Nationalen Parteitag. Anders als in anderen Staaten gibt es hier das so genannte Caucus-Verfahren, bei dem registrierte Demokraten in rund 1700 Bezirken persönlich ihre Stimme abgeben werden.
Auch in New Hampshire, wo die zweite Vorwahl stattfindet, liegt Sanders mit durchschnittlich 26,3 Prozent inzwischen deutlich vor Biden, der hier nur auf 16,8 Prozent kommt. Sanders konnte in den vergangenen Wochen auch im Durchschnitt der nationalen Umfragen seinen Rückstand auf den Favoriten Joe Biden verkleinern – da steht Biden zur Zeit bei 28,8 Prozent und Sanders bei 22,5 Prozent, danach folgt Elizabeth Warren mit 14,1 Prozent. Am Freitag überholte Sanders Biden in einer nationalen Umfrage, wenn auch nur knapp: NBC und die Zeitung „Wall Street Journal“ ermittelten für Sanders einen Prozentpunkt Vorsprung.
Sanders Erfolg bringt viele zentristische Demokraten gegen ihn auf. In der Vorwahl-Auseinandersetzung zwischen dem Senator und Hillary Clinton 2016 unterstützte die Führungsriege der Partei früh Clinton und zog damit viel Kritik auf sich. Das will man diesmal eigentlich vermeiden – doch angesichts der neuesten Umfragewerte werden viele Parteirechte und Zentristen zunehmend unruhig. „Die Leute müssen anfangen, Bernie sehr ernst zu nehmen. Es gibt ein sehr realistisches Risiko, dass er nicht mehr aufzuhalten wäre, wenn er diese frühen Staaten mit großem Abstand gewinnt“, sagte etwa Matt Bennett, Vizepräsident des zentristischen Think Tanks „Third Way“, der „Washington Post“. Bislang täten die moderaten Demokraten zu wenig, um sich auch den jungen Wählerinnen als Alternative zu Sanders anzubieten – und bald könne es dafür zu spät sein, warnte der Politikberater. Und als eher kontraproduktiv könnte sich der Einsatz von Clinton selbst erweisen, die in einem Interview kürzlich über den populären Senator sagte: „Niemand mag ihn, keiner will mit ihm zusammen arbeiten, er hat nichts hingekriegt.“
Der Widerstand gegen Sanders kommt vor allem von arbeitgebernahen Demokraten, die erhebliche Nachteile für die Privatwirtschaft befürchten, wenn sich Sanders durchsetzt. Private Krankenversicherungen, die jährlich Milliardengewinne einfahren, will der Senator ganz abschaffen. Und ein Erlass eines großen Teils der anderthalb Billionen Dollar Schulden, die Amerikaner bei Colleges und Universitäten angehäuft haben, würde sowohl die privaten Bildungsanstalten als auch die finanzierenden Banken treffen.
Organisationen wie „Third Way“ versuchten in den vergangenen Wochen, gezielt Stimmung gegen den Senator zu machen. Über die sozialen Medien und die Presse spielten sie verschiedene Geschichten über Sanders, die seine Fans ins Zweifeln bringen sollen. So habe zwar Biden die heute viel kritisierte Strafrechtsgesetzgebung der Clinton-Regierung in den 90er Jahren entscheidend geprägt – aber auch Sanders habe 1994 für das entscheidende Gesetz gestimmt und sich für „mehr Gefängnisse“ ausgesprochen. Sanders' Unterstützer kritisierten den entsprechenden Videoausschnitt des Senators als verfälschend. Schließlich habe der auch schon damals darauf hingewiesen, dass keine Strafrechtsverschärfung die Ursachen von Kriminalität, Arbeitslosigkeit, Armut und ungleichen Bildungschancen beseitigen könne.