Trumps Vokabular : Die Sprache eines autoritären Herrschers
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Der Chef-Ideologe und sein Präsident: Steve Bannon und Donald Trump bei einem Meeting zur Cyber-Sicherheit am 31.01.2017 im Weißen Haus. Bild: dpa
„Volksfeinde“, „globaler Krieg“, „Zerstörung des Staates“: Die Trump-Regierung und manche ihrer Mitglieder sind auch in ihrem Vokabular maßlos. Vieles daran erinnert an autoritäre und totalitäre Regime.
Donald Trump hat schon vieles gesagt, das für Kopfschütteln gesorgt hat, fast jeden Tag geschieht das. Doch der Satz, den der Präsident am Freitagmorgen kurz nach dem Aufstehen twitterte, als die Welt sich gerade noch von seinen Tweets des Vortages erholte, trieb selbst hartgesottenen Trump-Verteidigern die Zornesröte ins Gesicht. „Die Fake-News-Medien sind nicht mein Feind, sie sind der Feind des amerikanischen Volkes“, schrieb Trump. Damit meinte er vor allem seine Lieblingsgegner, die liberale „New York Times“ sowie die Fernsehsender CNN, NBCNews, ABC und CBS – doch selbst beim bislang stets Trump-freundlichen rechtskonservativen Sender Fox News war man angesichts der harten Wortwahl geschockt.
„Wir kritisieren Präsidenten. Sie kritisieren uns, das ist okay“, warnte der prominente Fox-Moderator Chris Wallace am Sonntag sichtlich erschüttert seine Zuschauer. „Aber als er sagte, dass die Fake News-Medien nicht sein Feind, sondern der Feind des amerikanischen Volkes seien, hat er eine wichtige Linie überschritten.“
Die (rote) Linie: Seit Trump im Amt ist, verschieben er und sein rechtspopulistischer Chefberater Steve Bannon sie jeden Tag ein bisschen weiter nach hinten. Und vor allem gegenüber den Medien, die den Präsidenten scharf kritisieren, haben beide den Tonfall längst so drastisch verschärft, dass man dahinter System vermuten muss. Ein System, das nicht nur in der Frage, wie mit unbequemen Kritikern und der unabhängigen Presse umgegangen wird, sondern auch in der Terminologie vielfach längst an autoritäre Herrschaftssysteme erinnert.
„Volksfeinde“: Mit dem Begriff „Volksfeinde“ für liberale Medien nutzt Trump einen Begriff, der sowohl im Leninismus/Stalinismus als auch im Nationalsozialismus und anderen totalitären Regimen zum gängigen Vokabular gehörte. Unter Stalin wurden politische Gegner als „Volksfeinde“ diffamiert und im Zuge des „Großen Terrors“ verhaftet und hingerichtet; im Dritten Reich verfolgten die Nationalsozialisten Juden, Sozialisten, Kommunisten, aber auch Zigeuner und Homosexuelle als „Volksfeinde“. Schon in „Mein Kampf“ schrieb Adolf Hitler von „Volksfremden“ und „Volksfeinden“, die es zu bekämpfen gelte. Goebbels erklärte 1941: „Wenn jemand einen Judenstern trägt, ist er ein Volksfeind“, worauf auch die „Washington Post“ am Samstag noch einmal erschüttert hinwies.
Ziehen, reißen, tätscheln : Wie Trump mit seinem Handschlag Macht ausübt
Trumps „Volksfeind“-Tweet ist indes nur die jüngste Eskalationsstufe einer immer radikaleren Rhetorik seit seinem Amtsantritt. Schon am Tag nach seiner Vereidigung erklärte Trump in seiner Rede beim Geheimdienst CIA zum Entsetzen vieler Anwesender, er befinde sich in einem „Krieg“ mit den Medien und sagte, Journalisten seien unter den „unehrlichsten Menschen auf der Erde“. Wenige Tage später legte sein rechtspopulistischer Chefberater Steve Bannon nach, der vielen als eigentlicher strategischer Kopf in der Trump-Regierung gilt. In einem Interview beschimpfte er die Medien und erklärte, diese sollten „den Mund halten und für eine Weile zuhören“. Dann fügte er hinzu: „Ich will, dass Sie das zitieren: Die Medien sind die eigentliche Opposition. Sie verstehen dieses Land nicht. Sie verstehen immer noch nicht, warum Donald Trump Präsident ist.“
Auch Trumps Sprecher Sean Spicer kündigte schon am Tag nach Trumps Amtseinführung in der Debatte um die wahre Besucherzahl auf der Mall in Washington an, das Weiße Haus werde die Presse für ihre angeblichen Falschmeldungen „zur Verantwortung ziehen“ – was immer er damit meinte. Die freie Presse als erklärter Feind, Kritik als Sakrileg, das „bestraft“ wird: Das weckt mehr als nur ungute Erinnerungen an autoritäre Regime.
John Dean, dem früheren Berater von Präsident Richard Nixon, kommt heftige Kritik an den Medien aus dem Weißen Haus zwar durchaus bekannt vor – auch Nixon pflegte einen erklärten Hass auf die freie Presse. Doch Trump hebe diesen Hass auf eine neue Stufe, sagte Dean dem Online-Magazin „Deadline“. „Was Nixon lediglich hinter verschlossener Tür sagte, sagt Trump öffentlich, so Dean. „Und er hat eine Menge Unterstützer, die nicht denken, bevor sie handeln, und sie haben viele Waffen.“
„America First“: Trumps Slogan aus dem Wahlkampf ist schon jetzt zur ideologischen Kernbotschaft seiner noch jungen Präsidentschaft geworden; in seiner Antrittsrede verwendete er ihn gleich mehrere Male. Trump will Amerika abschotten, wirtschaftlich und außenpolitisch, um die Interessen der Amerikaner wieder stärker zu vertreten, wie er sagt. Doch der Begriff, der zwar nicht exakt wie „Deutschland über alles“ klinge, diesem Wort aber durchaus sehr nahe komme, wie die „New York Times“ unlängst schrieb, hat eine dunkle Vergangenheit. In den dreißiger Jahren war er der Slogan nazi-freundlicher Amerikaner um den Medientycoon William Randolph Hearst, der lange Sympathien für den Nationalsozialismus und den italienischen Faschismus als Bollwerk gegen den Kommunismus hegte. Hearst nutzte „America First“ regelrecht als Kampfbegriff gegen den damaligen Präsidenten Roosevelt, dessen „New Deal“ er als „kommunistischer als die Kommunisten“ und als „unamerikanisch“ (ein Begriff, den Trump ebenfalls verwendet) brandmarkte.
Später kämpfte das 1940 gegründete „America First Committee“, damals die größte Vereinigung amerikanischer Isolationisten, gegen eine amerikanische Unterstützung der Alliierten im Kampf gegen Hitler-Deutschland. Anfangs noch ein durchaus angesehenes Sammelbecken auch für Pazifisten und Liberale, die Amerika nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs aus dem neuerlichen Weltkrieg heraushalten wollten, geriet die Vereinigung bald in Verruf, als immer mehr antisemitische und xenophobe Tendenzen erkennbar wurden. Vor allem der Antisemit und durch seine Atlantik-Überquerung weltberühmte Flugzeugpilot Charles Lindbergh ist bis heute negativ mit dem „America First Committee“ verbunden, der den Juden unter anderem eine „kriegstreiberische Politik“ vorwarf und in seiner berüchtigten Rede in Des Moines, Iowa, am 11. September 1941 ihren „Besitz und Einfluss auf die Filmindustrie, unsere Presse, unser Radio und unsere Regierung“ als „größte Gefahr für dieses Land“ bezeichnete.
Zwar hat Trump sich in einem Gespräch mit der „New York Times“ von der früheren Bedeutung des Begriffs distanziert und erklärt, es handele sich um einen „brandneuen, modernen Begriff“. Doch auch wenn Trump nicht um die Vergangenheit des Begriffs gewusst haben sollte, um den die amerikanische Politik seit dem Zweiten Weltkrieg einen großen Bogen macht (bis auf den „Paläokonservativen“ und mehrfachen Präsidentschaftskandidaten Pat Buchanan, der ihn immer wieder verwendete): Trumps Chefberater Steve Bannon, der Trumps Antrittsrede maßgeblich mit geschrieben hat, kannte die historische Bedeutung des Slogans mit Sicherheit und dürfte sie bewusst verwendet haben.
„Globaler Krieg“: Bei einer internationalen Konferenz im Vatikan sprach Trumps Chefberater Bannon 2014 von einem „sehr brutalen und blutigen Konflikt“, der schon längst im Gange sei. „Wir sind in einem globalen Krieg gegen Dschihadisten, den Islam und den islamischen Faschismus, und dieser Krieg bildet schneller Metastasen, als die Politik handeln kann“, erklärte Bannon. Die Welt befinde sich in einem beständigen Krieg des „jüdisch-christlichen Westens“, der „gütigen Kraft der Aufklärung“, gegen die „böswilligen Kräfte des Sozialismus, des Atheismus und des Islam“. Auch in einem Radio-Interview sagte Bannon 2015: „Es ist ein Krieg. Amerika ist im Krieg, Amerika ist im Krieg. Wir sind im Krieg.“
Der allumfassende, wenn man so will: totale Krieg zwischen Gut und Böse ist bei Bannon allgegenwärtig; und in den meisten seiner Aussagen ist er religiös konnotiert, als existentielle Entscheidungsschlacht, um die drohende Apokalypse zu verhindern. Bei der Konferenz im Vatikan erinnerte Bannon seine katholischen Glaubensbrüder unter anderem an die Schlacht gegen die Türken vor Wien und forderte sie auf, angesichts der derzeitigen „Krise“ nicht untätig zu bleiben. Ein Krieg mit allen Mitteln im Dienste einer höheren Ordnung: In autoritären Regimen ist das seit jeher ein Topos, der letztlich als Rechtfertigung für alles dient.
„Zerstörung des Staats“: Trumps Chefberater Steve Bannon bezeichnet sich selbst als „Leninisten“, dessen erklärtes Ziel die Zerstörung des existierenden Systems in Amerika ist. „Lenin wollte den Staat zerstören, und das ist auch mein Ziel. Ich will, dass alles zusammenbricht, ich will das heutige Establishment zerstören“, sagte er einmal in einem Interview voller Bewunderung für die von Lenin organisierte Machtergreifung der Bolschewisten in der russischen Oktoberrevolution 1917. Anfang Februar erklärte Bannon: „Wir erleben die Geburt einer neuen, politischen Ordnung.“ Bannon glaubt, dass Amerika alle 80 Jahre eine grundlegende Umwälzung erfährt – nach dem amerikanischen Bürgerkrieg und dem Zweiten Weltkrieg sieht er mit der Finanzkrise 2008 jetzt die nächste Zeit für einen fundamentalen Umsturz gekommen.
Bannon hat Lenins Weg zur Macht genau studiert, davon muss man wohl ausgehen. Auch deshalb sehen es viele Amerikaner mit größter Sorge, dass jetzt ausgerechnet ein rechtspopulistischer Ideologe mit einem unbestreitbaren Sinn für Demagogie der engste Berater des amerikanischen Präsidenten ist. Bannons politische Taktik könne aus einem bolschewistischen Schulbuch stammen, schrieb der Lenin-Kenner Victor Sebestyen dieser Tage im britischen „Guardian“. Und dann zog er einen Vergleich, der vielen größtes Unbehagen bereiten dürfte: Nur zwei Tage nach seiner Machtübernahme habe Lenin damit begonnen, die Presse massiv anzugreifen – Bannon forderte die Presse drei Tage nach Trumps Amtseinführung dazu auf, „die Klappe zu halten“. Lenin sprach in der Staatspresse von der „objektiven Wahrheit, der größeren Wahrheit“, die verbreitet werden müsse – die „alternativen Fakten“ von Trump-Beraterin Kellyanne Conway seien davon nicht weit entfernt, schrieb Sebestyen.
Mit Trump komme ein Präsident ins Amt, der nach einem autoritären Drehbuch handle, schrieb die CNN-Autorin Ruth Ben-Ghiat wenige Tage vor Trumps Amtseinführung im Januar. Vielleicht ist die viel größere Gefahr, dass das Drehbuch mutmaßlich von Steve Bannon geschrieben wurde.