Auf diese zehn Staaten kommt es an
Von FRAUKE STEFFENS, Grafiken: JENS GIESEL3. November 2020
Die Präsidentenwahl wird sich in einer Handvoll Bundesstaaten entscheiden. Demographische Entwicklungen verändern die Bedingungen für Republikaner und Demokraten. Wir erklären, was wichtig werden dürfte.
Die Demokraten haben in dem Sonnenstaat im Süden eine Reihe traumatischer, knapper Verluste hinter sich: Sie unterlagen hier nicht nur bei der Präsidentschaftswahl 2016, sondern auch bei den Kongresswahlen und der Gouverneurswahl 2018. Unvergessen ist ohnehin die Wahl 2000, bei der sich George W. Bush gegen den Demokraten Al Gore durchsetzen konnte, als der Supreme Court die Neuauszählung stoppte – beim Stand von 537 Stimmen Vorsprung für den Republikaner Bush. Florida hat 29 Stimmen im „electoral college“, genauso viele wie New York – mehr haben nur Texas und Kalifornien. Wer im drittbevölkerungsreichsten Bundesstaat mit seinen 21,5 Millionen Einwohnern gewinnt, dürfte schwer zu schlagen sein.
Georgia hat mit 10,6 Millionen die achtmeisten Einwohner der 50 US-Bundesstaaten. Um hier zum ersten Mal seit 1992 zu gewinnen, bräuchten die Demokraten große Zuwächse in den Vorstädten, vor allem in der Metropolregion Atlanta, und eine deutlich höhere Wahlbeteiligung der schwarzen Bevölkerung. Es war ein Warnzeichen für die Republikaner, als die Demokratin Stacey Abrams 2018 nur knapp dem Republikaner Brian Kemp bei der Wahl zum Gouverneur unterlag – zuvor hatte Kemp als Innenminister insgesamt 1,4 Millionen Wählerregistrierungen für ungültig erklärt und kurz vor der Wahl 53.000 Menschen, die meisten Afroamerikaner, aus den Wählerverzeichnissen streichen lassen.
Der Südstaat steht im Bevölkerungsranking mit knapp 10,5 Millionen Einwohnern auf Platz neun. Mit rund 70 Prozent bilden Weiße die Mehrheit. Wirtschaftlich dominieren Textil-, Tabak- und Agrarindustrie, um die Stadt Charlotte wachsen die Banken- und die Dienstleistungsbranchen. Donald Trump setzte sich hier 2016 mit 49,8 zu 46,2 Prozent der Stimmen durch. Barack Obama hatte seine erste Wahl 2008 hier gewonnen, 2012 aber verloren. Damit zählt der Staat gleichsam offiziell zu den „Swing States“, auch wegen der Zuwanderung junger, gut ausgebildeter Angestellter. Seit dem Jahr 2016 haben sich 1,3 Millionen Menschen neu als Wähler registrieren lassen. Von den registrierten Wählern sind mehr Demokraten – doch es gibt auch 33 Prozent, die sich als parteilos bezeichnen und sich bei jeder Wahl neu entscheiden. Joe Biden hatte hier kurz vor dem Haupt-Wahltag in Umfragen nur einen hauchdünnen Vorsprung. 15 Wahlleute stehen auf dem Spiel.
Pennsylvania, wo rund 13 Millionen Menschen leben, ist der Staat, auf den sich in beiden Lagern besonders viele bange Blicke richten. Fachleute sehen Donald Trumps Chance, das Weiße Haus zu verteidigen, bei nur noch zwei Prozent, wenn er in dem fünftbevölkerungsreichsten Bundesstaat verlieren sollte: Es geht immerhin um zwanzig Wahlleute. Pennsylvania ist dichter besiedelt und diverser als andere Bundesstaaten im sogenannten Rostgürtel. Der Staat gilt als violett, er hat also sowohl demokratische als auch republikanische Hochburgen. Demographische Veränderungen beeinflussen auch in Pennsylvania die politische Landschaft: in den zehn Jahren bis 2010 wuchs etwa die Gruppe der Latinos in dem Bundesstaat um fast 83 Prozent, zu einem großen Teil passierte das durch Binnenwanderung aus Städten wie New York.
Aus Ohio, das im Norden durch den Erie-See von Kanada getrennt ist, kommen 18 Wahlleute. Der Bundesstaat im „Rostgürtel“ liegt mit einer Bevölkerung von knapp zwölf Millionen Einwohnern auf Rang sieben der Staaten. Die Mehrheit der Menschen hier, um 72 Prozent, sind Weiße. In den Umfragen kurz vor der Wahl zeichnete sich ein knappes Rennen ab, mit einem Vorteil für Donald Trump von unter einem Prozent und damit innerhalb der Fehlertoleranzspanne. Kein Republikaner konnte je ins Weiße Haus einziehen, ohne die Wahl in Ohio für sich zu entscheiden. Trump gewann 2016 hier mit acht Prozentpunkten Vorsprung. Zuvor hatte Barack Obama zweimal die Wahl für sich entschieden. Der Umschwung war aber nicht nur dadurch zu erklären, dass viele weiße Arbeiter und Arbeitslose zu Trump überwechselten – auf der anderen Seite fiel auch die Wahlbeteiligung von Demokraten ab.
Michigan war 2016 Schauplatz einer der größten Überraschungen für Demokraten und Republikaner: Trump gewann in dem Staat im Mittleren Westen denkbar knapp mit einem Vorsprung von rund 10.700 Stimmen. Seine Beliebtheit nahm jedoch, glaubt man den Umfragen, seither deutlich ab. Joe Bidens Umfrage-Vorsprung bewegte sich in der Woche vor der Wahl zwischen neun und zehn Prozentpunkten, deswegen gaben einige republikanische Parteistrategen den Staat mit seinen 16 Wahlleuten schon verloren. In Michigan, das aus zwei Halbinseln an den Großen Seen besteht, leben knapp unter zehn Millionen Menschen, rund 80 Prozent davon sind weiß.
Der Präsident gewann hier nicht nur die vom Strukturwandel gebeutelten weißen Arbeiter, sondern auch die Weißen mit Collegeabschluss aus den reicheren Vororten, und zwar mit acht Prozentpunkten Vorsprung. Letztere Gruppe wandert seit geraumer Zeit langsam von den Republikanern ab, weswegen Trump diesen Erfolg womöglich nicht wiederholen kann.
Wisconsin hat einen unruhigen Sommer hinter sich: Hier kam es nach der Verletzung des Afroamerikaners Jacob Blake durch Polizeischüsse in Kenosha zu Aufständen, Donald Trump nahm sie zum Anlass für seinen „Law and Order“-Wahlkampf. Ob ihm das noch einmal den Sieg bringen wird, ist zweifelhaft. Im Durchschnitt mehrerer wichtiger Umfragen führte Joe Biden in der Woche vor dem Hauptwahltag mit um die neun Prozent deutlich. Und das, obwohl er laut seinen innerparteilichen Kritikern lange nicht aus Hillary Clintons Fehlern lernte und zu wenig Wahlkampf in dem Bundesstaat machte. Wie in anderen Landesteilen auch hatte Clinton hier vor allem verloren, weil die Wahlbeteiligung abgefallen war und man in Städten wie Madison oder Milwaukee so viele schwarze Wähler verloren hatte.
Kein Bundesstaat hat mehr Wahlleute als Kalifornien – mit 55 Entsandten stimmt der Staat an der Westküste über den nächsten Präsidenten ab. Hier leben 39,5 Millionen Menschen, die Wirtschaft wäre für sich genommen die fünftgrößte der Welt. In der Heimat von Hollywood und dem Silicon Valley stimmt stets die deutliche Mehrheit der Menschen für die Demokraten – 2016 waren es 61,73 Prozent. Und so hatte Joe Biden hier zuletzt im Umfrage-Durchschnitt einen Vorsprung von fast 30 Prozent auf Donald Trump. Der Präsident hatte sich zuletzt noch mehr Feinde in Kalifornien gemacht, als er die verheerenden Waldbrände auf mangelhaftes Forstmanagement statt auf den Klimawandel zurückgeführt hatte.
Arizona befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel, und der wirkt sich politisch aus. Eine der lange verlässlichsten konservativen Hochburgen ist inzwischen alles andere als sicheres Terrain für die Republikaner. Deswegen absolvierte Präsident Donald Trump in diesem Jahr hier auch schon ein halbes Dutzend Wahlkampfauftritte. In Arizona gewann seit 1952 stets der republikanische Kandidat, einzige Ausnahme war Bill Clinton 1996. Gegen dessen Frau Hillary setzte sich Donald Trump 2016 zwar klar mit 48,7 zu 45,1 Prozent durch – aber sein Vorsprung war deutlich kleiner als der seiner republikanischen Vorgänger. In Arizona sind elf Wahlleutestimmen zu vergeben, in der Woche vor dem Wahltermin lag Joe Biden im Durchschnitt der Umfragen um zwei Prozent vor Donald Trump.
Kurz vorm Hauptwahltag hatte Donald Trump in Texas zwischenzeitlich nur noch ein Prozent Vorsprung im Durchschnitt der Umfragen – kann die republikanische Hochburg etwa fallen? Viele Beobachter bleiben skeptisch, einige Umfragen sahen Biden deutlicher hinten. Käme es doch so, wäre es ein politisches Erdbeben und der „Lone Star State“ mit seinen 38 Wahlleuten würde die Wahl wohl entscheiden. Texas ist sowohl nach der Fläche (hinter Alaska) als auch nach der Einwohnerzahl (hinter Kalifornien) der zweitgrößte Bundesstaat der Vereinigten Staaten.
Dennoch gibt es Anzeichen für Veränderungen, die von demographischen Trends getrieben werden. Der Demokrat Beto O‘Rourke konnte 2018 fast den Senator Ted Cruz besiegen – mit dem knappsten Ergebnis seit 40 Jahren. In Texas machen Latinos rund 40, Schwarze rund zwölf Prozent der Bevölkerung aus. Immer mehr von ihnen ziehen in die traditionell konservativen, von Weißen dominierten Vorstädte und könnten so die politische Landschaft nachhaltig verändern. Und auch die Mobilisierung bisheriger Nichtwähler könnte diesmal den entscheidenden Unterschied machen. Bislang war die allgemeine Wahlbeteiligung mit 60 Prozent der registrierten Wähler und 45 Prozent der Bürger im wahlberechtigten Alter niedrig. Nun wird eine Rekord-Wahlbeteiligung erwartet.
Quellen: 270toWin, Federal Election Commission, United States Census Bureau
Quelle: FAZ.NET
Veröffentlicht: 30.10.2020 14:29 Uhr
