Amerikanische Reaktionen : Eine historische Rede?
- -Aktualisiert am
Plötzlich schlägt Donald Trump differenziertere Töne über die muslimische Welt an. Bild: AFP
„Der Islam hasst uns“ – das hatte Donald Trump noch im Wahlkampf gesagt. In Saudi-Arabien schlägt der amerikanische Präsident differenziertere Töne an. Sein Auftritt wird gerade in Amerika aufmerksam verfolgt.
Als Donald Trump im fernen Riad ans Rednerpult tritt, sitzen viele Amerikaner gerade am Frühstückstisch. Der große Auftritt ihres Präsidenten war auch in der Heimat mit Spannung erwartet worden. Was für Töne würde er anschlagen, was für eine außenpolitische Vision formulieren?
„Der Islam hasst uns“, hatte Trump noch im Wahlkampf gesagt und sogar ein pauschales Einreiseverbot für Menschen muslimischen Glaubens gefordert. Nun steht er auf der ersten Station seiner ersten Auslandsreise ausgerechnet im strenggläubigen Saudi-Arabien auf der Bühne, wo der Islam Staatsreligion ist. Vor ihm sitzen mehr als fünfzig muslimische Staatschefs.
„Der Weg zum Frieden beginnt hier, auf diesem uralten Boden, in diesem heiligen Land“, sagt der Präsident. Immer wieder macht er in den etwa 35 Minuten seiner Rede klar, dass es an diesem Tag um die ganz großen Themen gehen soll: Krieg und Frieden – und die Rolle, die Religionen dabei spielen. Es gebe „keinen Kampf zwischen verschiedenen Religionen“, sagt Trump etwa, dafür aber „eine Schlacht zwischen barbarischen Kriminellen, die das menschliche Leben auslöschen wollen“ sowie „anständigen Menschen aller Religionen“, die dieses Leben „beschützen wollen“.
Extremismus „ehrlich entgegentreten“
Zum einen fordert der Präsident die muslimische Welt auf, mehr gegen Terroristen zu tun. Alle Staaten und religiösen Anführer müssten islamistischem Extremismus „ehrlich entgegentreten“ und „gemeinsam gegen das Morden unschuldiger Muslime, gegen die Unterdrückung von Frauen, die Verfolgung von Juden und das Niedermetzeln von Christen“ eintreten.
Besuch in Saudi-Arabien : Trump spricht vom Kampf „Gut gegen Böse“
Viel war im Vorfeld gerätselt worden, ob Trump in der Rede auf seine im Wahlkampf so oft genutzte Formulierung „radikaler islamischer Terrorismus“ zurückgreifen würde. Laut vorab veröffentlichtem Manuskript entschied er sich für die vorsichtigere und differenziertere Variante „islamistischer Extremismus“, offenbar aus Rücksicht auf sein Publikum vor Ort. Als er die Rede dann hält, sagt er schließlich doch einige Male „islamisch“ anstatt „islamistisch“. An einer Stelle ist gar vom „islamistischen und islamischen Terror“ die Rede.
Während einige enttäuschte Trump-Wähler, die auf mehr Konfrontation gehofft hatten, ihren Präsidenten in den sozialen Medien als „Feigling“ bezeichnen, fällt das parteiübergreifende Echo in den Vereinigten Staaten durchaus positiv aus. Man müsse konstatieren, sagt etwa der ehemalige republikanische Senator und Präsidentschaftsbewerber Rick Santorum bei CNN, dass Trump „anscheinend doch auf Ratschläge seiner Berater hört“ – zumindest teilweise.
Wer kämpft gegen wen?
„Die Staaten des Mittleren Ostens können nicht darauf warten, dass die Macht Amerikas diesen Feind für sie zermalmt“, sagt Trump mit Blick auf nötige gemeinsame Anstrengungen gegen Terroraktivitäten. Dieses Übel könne nur überwunden werden, wenn die „Kräfte des Guten vereint und stark sind, und wenn jeder in diesem Raum seinen fairen Teil dazu beiträgt“. Die Frage, wer gegen wen kämpft, beantwortet der Präsident mit klaren Worten: Gut gegen Böse.
Die filmreifen Sätze kommen an in Amerika. „Meisterliche Rede unseres Präsidenten“, twittert der republikanische Abgeordnete Pete King. „Eine historische Rede“, schwärmt der einflussreiche konservative Radiokommentator Wayne Dupree. Statt „Spitzfindigkeiten“ à la Obama habe Trump klare Kante gezeigt, freut sich Fox-News-Anchor Eric Bolling. Der Sänger Vinnie James fühlt sich gar an Ronald Reagans „Tear down this wall“-Rede in Berlin erinnert.
„Wir sind nicht hier, um Sie zu belehren“, fasst Trump in Riad die zweite große Botschaft seiner Rede zusammen. „Wir sind nicht hier, um anderen Menschen vorzuschreiben, wie sie leben, was sie tun, wer sie sein oder wie sie glauben sollen.“ Stattdessen sei man gekommen, um „eine Partnerschaft anzubieten“, basierend auf „gemeinsamen Interessen und Werten“.
Trump umschmeichelt seine Gastgeber
In anderen Worten: Solange man gemeinsam gegen Terroristen kämpfe, werde sich Amerika aus dem Innenleben der jeweiligen Staaten heraushalten – so zumindest interpretieren zahlreiche Kommentatoren Trumps Worte. Und in der Tat: Während dessen Vorgänger Barack Obama und George W. Bush an ähnlicher Stelle immer wieder auch auch die Bedeutung von Demokratie und Menschenrechten betonten, ist bei Trump davon an diesem Tag wenig zu hören. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass seine Rede nicht an die Menschen der muslimischen Welt adressiert ist, sondern an die vor ihm sitzenden Machthaber. Kritik an deren teils repressiven Regimen gibt es, wenn überhaupt, nur indirekt. „Wann immer möglich, werden wir graduelle Reformen unterstützen, jedoch keine plötzlichen Interventionen.“
„Andere Schwerpunkte“ wären gut gewesen, kritisiert deswegen der republikanische Senator Marco Rubio. Die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in vielen Staaten, vor allem in Saudi-Arabien, hätte Trump seiner Meinung nach stärker hervorheben sollen.
Stattdessen umschmeichelt Trump die Gastgeber des eigens für ihn einberufenen Gipfeltreffens geradezu. Während er den Iran immer wieder scharf kritisiert, lässt er unerwähnt, dass gerade das wahhabitische Saudi-Arabien in der ganzen Welt einen besonders fundamentalistischen Islam unterstützt. Der Präsident hätte durchaus deutlich machen können, dass „Terrorismus nicht einfach so vom Himmel fällt“, findet Elliot Abrams vom einflussreichen „Council on Foreign Relations“.
Wird seine Reise zum politischen Befreiungsschlag?
Bereits vor seiner Rede hatten sich viele Amerikaner über das unkritische Verhalten Trumps gegenüber den Saudis beschwert. Weil er sich vor König Salman verbeugt habe, als dieser ihm eine Medaille umhängte, warfen manche ihrem Präsidenten Scheinheiligkeit vor – schließlich hatte Trump vor einigen Jahren Obama für eine ähnliche Geste noch scharf kritisiert. „Da muss ich kotzen“, kommentiert sogar Trumps langjähriger Berater Roger Stone die Szene der Ordensverleihung auf Twitter. Nachdem Stone wegen angeblicher Wahlkampf-Absprachen mit Russland immer stärker unter Druck geraten war, hatte sich der Präsident zuletzt von seinem einstigen Weggefährten distanziert. Ist Stones ätzende Kritik dafür nun eine Retourkutsche? Vielleicht.
„Es war keine schlechte Rede“, sagt dagegen der Trump-Kritiker und frühere Berater des amerikanischen Außenministeriums, Shahed Amanullah. Allerdings müsse man auch darauf hinweisen, dass der Präsident mit seinen heutigen Worten „dem Rest seiner Agenda völlig widersprochen“ habe.
Einig sind sich die meisten politischen Beobachter in den Vereinigten Staaten an diesem Sonntag in einem Fazit: Trumps Auftritt in Riad ist trotz aller internationaler Implikationen vor allem ein Signal in die Heimat. Wird sein Trip gar zum politischen Befreiungsschlag? Das werden erst die nächsten Tagen und Stationen seiner Reise zeigen.
Endlich mal ein Staatsmann
Fest steht: Während in Washington weiter über die skandalösen Enthüllungen der letzten Tage in Bezug auf Trumps mögliche Moskau-Connection diskutiert wird, kann sich der Präsident im Ausland endlich einmal als Staatsmann präsentieren, der versichert, die Interessen seines Landes im Blick zu haben. Dass er während seines Auftritts in Saudi-Arabien immer wieder auf von ihm geschaffene Jobs zuhause und andere innenpolitische Erfolgsgeschichten verweist, kommt wenig überraschend.
„Gott schütze die Vereinigten Staaten von Amerika“ – gerade diese Schlussworte in Riad zeigen, welches Publikum der Präsident und sein Redenschreiber Stephen Miller bei der Konzeption des Auftritts vor Augen gehabt haben dürften: Amerikaner am Frühstückstisch.