T. C. Boyle im Gespräch : „Sie haben einen Fernseh-Schmock gewählt“
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Sieht die amerikanische Demokratie durch Trumps Erfolg in Gefahr: T.C. Boyle Bild: dpa
Der Schriftsteller T. C. Boyle schrieb schon vor 21 Jahren in seinem Roman „América“ über Rassismus und Spaltung in seiner Heimat. Nach Trumps Wahl ist die Geschichte aktueller denn je. FAZ.NET hat mit Boyle über den Zustand Amerikas gesprochen.
21 Jahre ist es her, da veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller T.C. Boyle das Buch „América“, in dem sich die Wege zweier illegaler Einwanderer aus Mexiko und eines weißen, privilegierten Pärchens aus den Hügeln von Malibu unfreiwillig kreuzen. Während die Latinos nach einer gefährlichen Flucht über die amerikanisch-mexikanische Grenze in den Schluchten bei Los Angeles um ihr nacktes Überleben kämpfen, fühlt sich das wohlhabende Pärchen bedroht von der Präsenz des Fremden – beide werden im Verlauf der Erzählung zu ultimativen Rassisten. Als Boyle diese Geschichte schrieb, im Jahr 1995, war Bill Clinton noch Präsident der Vereinten Staaten. Seine Frau Hillary hielt im September ihre berühmte „Frauenrechte sind Menschenrechte“-Rede in China. Und Donald Trump war in einem Werbespot von „Pizza Hut“ zu sehen.
Zwei Jahrzehnte später hat sich an der sinnbildlichen Rassendynamik aus „América“ wenig geändert, wie der Sieg Donald Trumps zeigt: Im Wahlkampf machte der nun gewählte Präsident der Vereinigten Staaten Werbung damit, Latinos deportieren zu lassen und brandmarkte Mexikaner als Vergewaltiger.
Kann sich Amerika einfach nicht ändern? Wir haben mit Boyle, einem erklärten Demokraten, über Patriotismus, den Zustand der amerikanischen Gesellschaft und den Umgang mit Trump-Unterstützern im Freundeskreis in seinem Haus in Montecito bei Santa Barbara gesprochen. Dort wohnt er mit seiner Frau und dem gemeinsamen Hund – einem ungarischen Puli. Eine andere Rasse komme nicht in die Tüte, schließlich habe seine Frau ebenso ungarische Wurzeln, sagt Boyle. Auch das Haus besitzt Symbolkraft: Erbaut wurde es vom Architekten Frank Lloyd Wright, über den Boyle den Roman „Die Frauen“ geschrieben hat. Boyle, ein Punk der Literaturszene, der äußerlich an Frank Zappa erinnert, trägt eine schwarze Baskenmütze und serviert Tee und Käsecracker. Sein Puli trabt während des Gesprächs träge durchs Wohnzimmer.
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Mr. Boyle, Sie twittern gerne.
Vor eineinhalb Jahren sagte mein Verleger: „Ich will, dass du twitterst.“ Also hab ich das gemacht und festgestellt, dass ich es liebe. Es ist wie eine Bühne. Es erlaubt mir, mein 12-jähriges Ich herauszulassen: Hier bekommt Ihr Einblick in die glamouröse Welt einer international bekannten Literatur-Berühmtheit. Hier ist der Morgen, hier ist der Hund, hier ist das Ei, das ich nicht essen werde. Es ist eine Plattform, die es mir erlaubt, permanent lächerliche Witze zu reißen. Und viel Spaß zu haben. Kann ich Sie twittern?
Gerne.
(Macht ein Handy-Foto.) Exzellent.
Donald Trump hat ebenfalls ein Faible für Twitter. Was verbindet Sie sonst noch mit dem gewählten amerikanischen Präsidenten?
Er ist ein Wahnsinniger. Und zwar ein böser Wahnsinniger. Aber ich bin ein guter Wahnsinniger. (Lacht.) Sonst nichts. Das einzige Mal, dass ich Trump getroffen habe, war, als wir gemeinsam auf einer Buchmesse in Las Vegas gewesen sind, das muss um 1990 gewesen sein, als mein Roman „Ein Freund der Erde“ erschienen ist. Er hatte damals – besser, jemand anders hatte für ihn – ein Buch darüber geschrieben, wie man reich wird.
Sie meinen Trumps Buch „Die Kunst des Erfolges“?
Ja. Da waren wir drei also, ausgewählt, zu den Besuchern der Messe zu sprechen. Ich, er und Angela Lansbury, die Schauspielerin. Wir waren dort gemeinsam, und Trump und ich verstanden uns sehr gut. Aber ich wusste nicht, was die Zukunft bringen würde. Keiner wusste das, nicht einmal vor ein paar Wochen. Das geht über die Vorstellung eines jeden hinaus.
Sie haben die Zeichen also auch nicht gesehen?