Redenschreiber des Präsidenten : Trumps Flammenwerfer
- -Aktualisiert am
Anheizer für Donald Trump: Stephen Miller ist jung, erzkonservativ und wortgewandt – hier Ende Juni bei einem Wahlkampfauftritt in Bangor, Maine Bild: Reuters
Wenn Donald Trump am Freitag als Präsident vereidigt wird, achtet die ganze Welt auf seine Wortwahl. Stephen Miller hat die Rede mit geschrieben. Wer ist der junge, erzkonservative Mann, der schon Trumps Auftritt auf dem Parteitag so düster gemacht hat?
Rein äußerlich könnten sie nicht unterschiedlicher sein. Der eine: groß, latent übergewichtig, unglaubliches Haar, ungesunde Gesichtsfarbe (sehr braun). Der andere: schmächtig, schmalschultrig, Halbglatze, ungesunde Gesichtsfarbe (sehr bleich). Rhetorisch sind die beiden dagegen oft kaum zu unterscheiden.
Was daran liegt, dass Stephen Miller Donald Trumps Redenschreiber ist. Miller wird zusammen mit dem designierten Präsidenten das Manuskript für dessen Amtsantritt am Freitag verfassen. Die Routine, die die zwei Männer sich über Monate erarbeitet hatten, sah in den Vorwahlen so aus: Während in den großen Hallen einige Leute noch Dollar-Scheine gegen Hot Dogs oder rote „Make America Great Again“-Mützen tauschten, noch bevor die Hauptattraktion namens Donald Trump auf die Bühne kam, federte der etwas schlaksige Miller vorab zum Podium.
Die Rolle des Anheizers ist nicht unüblich im politischen Geschäft. Wie eine Rockband dem Publikum mit einer Vorband die Wartezeit verkürzen will, schlich Miller sich in Anzug und Krawatte auf die Bühne, um Trumps Anhänger auf „Temperatur“ zu bringen.
„Guten Abend, mein Name ist Stephen Miller und ich bin Senior Policy Advisor für Donald Trump“, begann Miller vergangenen April in Milwaukee, Wisconsin, unter tosendem Applaus seine Rede. „In weniger als 24 Stunden werden wir ein Statement abliefern, das so klar und deutlich ist, dass die Konferenztische wackeln in sämtlichen Lobby-Unternehmen, die die Arbeiterklasse diese Landes seit 40 Jahren ausbeuten. Ihr habt morgen die Wahl, mit eurer Stimme endlich dieser Korruption, diesem Betrug und dieser Unfähigkeit ein Ende zu setzen, die das Leben von Millionen von Amerikanern zur Hölle gemacht haben.“
Angstmacher-Rhetorik mit schlimmsten Vorurteilen
Was erst einmal relativ allgemein klingt, war damals direkt an Ted Cruz gerichtet, Trumps schärfsten Konkurrenten um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat. Der Senator aus Texas sei ein „Wall-Street-Extremist“ und ein „radikaler Globalist“, der mehr für China als für Amerika übrig habe, fuhr Miller fort, und der womöglich sogar noch mehr Gastarbeiter ins Land lasse, „die Euch und Euren Kindern, Brüder und Schwestern die Jobs streitig machen“.
24 Stunden später verlor Donald Trump die Vorwahlen gegen Ted Cruz deutlich (48 zu 35 Prozent), und so könnte man die Rede natürlich als schlechtes Beispiel abtun. Dabei verdeutlicht sie bloß die genaue Rollenverteilung (und ein Stück weit auch Trumps Arbeitsweise).
Millers Rolle als Anheizer hat nämlich vor allem eine Funktion: mit seiner Angstmacher-Rhetorik schöpft er die schlimmsten Vorurteile aus den trüben Pfützen weißer Arbeiterklassen-Wut ab und unterfüttert sie mit den Zahlen, für die Donald Trump keine Aufmerksamkeit hat. Trump wusste, wie die Umfragen in Wisconsin aussahen. Also schickte er Miller hinaus auf die Bühne, um für ihn nach Noten zu spielen, die Drecksarbeit zu erledigen, den politischen Gegner anzugreifen, damit Trump selbst im Anschluss frei und assoziativ wie immer aufspielen konnte.
Miller ist, wenn man so will, Trumps Flammenwerfer, der für ihn vorab den bunten, liberalen Dschungel niedermäht, damit sein Boss anschließend auf der verbrannten Erde seine verbale Saat säen kann.
Millers Vorliebe für kontroverse Aussagen lässt sich leicht zurückverfolgen. Der 31-Jährige wurde in Santa Monica in Kalifornien geboren. Angeblich war es die Lektüre des Buches „Guns, Crime and Freedom“ des NRA-Vorstandsvorsitzenden Wayne LaPierre, das den Sohn liberaler jüdischer Eltern zu einem Konservativen werden ließ.
Die ersten ernsthaften Gehversuche als Kommentator machte er als Student der Politikwissenschaft an der Duke University in North Carolina. In den mehr als 20 Beiträgen für die Campus-Zeitung bewies er ein verlässliches Händchen für strittige Themen: Diejenigen seiner Landsleute, die Folter als Verhörmethode kritisierten, hätten „unsere Nation verraten und sich moralisch des Landesverrats schuldig gemacht“, schrieb er einmal beispielsweise. Elterngeld würde dazu führen, dass Männer keine Jobsicherheit hätten, „weil ihre Chefs zu viel Geld verlieren, nicht anwesende Mitarbeiter zu bezahlen“.
Heißsporn mit felsenfester Ideologie
Blättert man etwas durch diese Artikel, liest man einen Heißsporn, der sich seiner Ideologie bereits sehr sicher ist – und gleichzeitig hört man immer wieder Passagen heraus, die eins zu eins aus einer Trump-Rede stammen könnten. „Uns wird ständig eingebläut, dass wir uns nicht klar und wahrheitsgemäß ausdrücken sollen“, heißt es in seinem letzten Stück für die Zeitung, „sondern auf eine Art und Weise, die politisch korrekt ist. Dabei ist dieses Diktat der Politisch-Korrekten unvereinbar mit amerikanischen Werten.“
Ein weiteres Lieblingsthema von Miller, mit dem auch Trump in den Vorwahlen aufgetrumpft ist: islamistischer Terror. „Islamistische Kämpfer haben den Vereinigten Staaten den Heiligen Krieg erklärt. Sie haben jede Frau, jeden Mann und jedes Kind, das in diesem Land lebt, zum Tode verurteilt.“
Erste Prominenz erlangte Miller während der Studienzeit mit Auftritten bei Fox News. Als einer von wenigen Studenten verteidigte er drei Kommilitonen, die beschuldigt wurden, eine schwarze Studentin vergewaltigt zu haben (die Anschuldigungen stellten sich am Ende als unwahr heraus). Nach dem Studium arbeitete Miller dann zunächst für einen anderen konservativen Hitzkopf, die republikanische Abgeordnete Michele Bachmann aus Minnesota, und wechselte dann schnell ins Büro von Senator Jeff Sessions aus Alabama, der aktuell im Trump-Kabinett als Justizminister vorgesehen ist.
Sessions erklärte sich früh zum Trump-Anhänger und als Unterstützer von dessen politischer – nennen wir es: Vision. Und so wechselte Stephen Miller im Januar 2016 zur Kampagne des Immobilienunternehmers aus Manhattan. Fortan diente er als Trumps oberster Politik-Berater und agierte gleichzeitig als Redenschreiber und Stimmungsmacher auf den Wahlkampfveranstaltungen.
Als Donald Trump Miller offiziell zu seinem obersten Berater im Weißen Haus ernannte, lobte er ihn denn auch über den grünen Klee: „Stephen hat eine ganz zentrale Rolle während der Vorwahlen und danach für unseren Wahlkampf gespielt. Er hat sich voll und ganz unserer ‚America First‘-Agenda verschrieben und weiß, mit welchen Mitteln wir die durchsetzen werden.“
Feuerprobe auf dem Nominierungsparteitag
Da Trump sich eher schwer damit tat (und tut), einen Teleprompter zu benutzen, wurde Millers erste vielbeachtete Rede für seinen neuen Chef die vom Parteitag in Cleveland Anfang Juli. In fast zornigem Ton malte Trump dort ein düsteres, niedergeschlagenes Bild der Vereinigten Staaten, einer Nation, die ihre wahre Stärke verloren und sich dem Terrorismus gebeugt habe.
So hinterlässt Miller immer kleine Brotkrumen in Trumps Reden, die zwar dem Ton seines Chefs entsprechen, aber genauso auf seinen eigenen politischen Werdegang deuten.
Letzte Pressekonferenz : Obama ermahnt Trump
Was das für diesen Freitag heißen wird, wenn Trump vor dem Kapitol in Washington offiziell als 45. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt wird, ist noch nicht sicher. Ein Sprecher aus dem Trump-Lager sagte in der vergangenen Woche, die Rede werde das Thema „Zusammenhalt“ besonders hervorheben. Angesicht der schlechten Umfragewerte (Trump ist einer der unbeliebtesten designierten Präsidenten seit langer Zeit) scheint das keine schlechte Idee von Miller zu sein. Seine Worte werden überall auf der Welt gehört werden. Ihr Ton wird Trumps Amtszeit maßgeblich prägen.