Mord an Schwarzem in Georgia : „Immer nur einen Schritt vom Terror entfernt“
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Schwester und Mutter des getöteten Ahmaud Arbery trauern am Sonntag in Brunswick Bild: AFP
Der Mord an dem jungen Jogger Ahmaud Arbery entsetzt viele Menschen in Amerika. Wieder haben Weiße einen unbewaffneten Schwarzen erschossen, der einfach nur laufen wollte.
Ahmaud Arbery war 25 Jahre alt, als er am 23. Februar erschossen wurde. Drei Männer hatten Arbery beim Joggen in Brunswick im Bundesstaat Georgia beobachtet. Arbery, der schwarz war, lief durch eine vor allem von Weißen wie ihnen bewohnte Nachbarschaft. Den genauen Ablauf der folgenden Tat müssen nun die Ermittler klären. Fest steht, dass die drei Männer mit dem Auto Jagd auf den Jogger machten und ihm schließlich den Weg abschnitten, die Waffen in der Hand. Einer der Beteiligten, vielleicht auch ein Vierter, filmte die ganze Zeit. Arbery versuchte noch, sich mit den Fäusten gegen die bewaffneten Männer zu wehren.
Das Video verbreitete sich in der vergangenen Woche im Internet. Manche, wie der Hinterbliebenen-Anwalt Lee Merritt, sahen darin ein notwendiges Übel, wie er dem Magazin „Essence“ sagte. Andere, wie die Aktivistin April Reign, kritisierten das Video bei Twitter als „trauma porn“, das Menschen neu traumatisieren könne.
Schließlich wurden die mutmaßlichen Täter verhaftet – mehr als zwei Monate nach dem Tod des jungen Joggers. Inzwischen wurden sie wegen Mordes angeklagt. Doch erst, als Aktivisten die Behörden zum Handeln aufforderten, machte sich die Polizei auf die Suche nach den Männern. Der Staatsanwalt George Barnhill schrieb in seinem ursprünglichen Report nach dem Vorfall, die drei seien im Recht gewesen, weil es in Georgia die „Stand your Ground“-Regel gibt. Die erlaube es, einen Verdächtigen selbst festzusetzen, wenn Gefahr von diesem ausgehe – und der unbewaffnete Arbery war ja schließlich vor den Privatmännern weggerannt.
Zuerst hatte Arberys Tod nicht viel überregionale Aufmerksamkeit bekommen, weil die Coronavirus-Pandemie alles andere überschattete und es immer wieder ähnliche Fälle gibt. Inzwischen änderte sich das, nicht nur wegen des Videos, sondern auch, weil gerade der weitere Verlauf der Virus-Krise den strukturellen Rassismus im Land wieder ins Zentrum der Diskussion rückte.
Ibram X. Kendi nannte den Tod von Arbery auf Twitter einen „Lynchmord“. Die Existenz eines schwarzen Amerikaners sei stets „einen Schritt weit entfernt von rassistischem Terror, vom Tod“, so der Rassismusforscher der American University in Washington. Diesen „rassistischen Terror“ verstehen Kendi und viele andere als strukturell und nicht beschränkt auf individuellen Hass. Patrisse Cullors, eine der Gründerinnen der „Black Lives Matter“-Bewegung, zog bei Twitter eine Linie von der Sklaverei über die systematische Benachteiligung Schwarzer in den Jahrhunderten danach bis zu ihrer Situation in der Coronavirus-Krise. Zu Arberys Tod schrieb sie: „Lynchmorde geschehen in Amerika 2020“.
Die Gründung von „Black Lives Matter“ war 2013 auf die Proteste nach dem gewaltsamen Tod des Teenagers Trayvon Martin im Vorjahr gefolgt. Ähnlich wie Arbery war der 17 Jahre alte Martin eine Straße entlanggegangen und hatte sich gewehrt, als der Weiße George Zimmerman ihn anging. Zimmerman erschoss den Teenager wenig später und berief sich mit Erfolg auf die in Florida geltende „Stand your Ground“-Regel, obwohl auch Martin keine Waffe trug. Die Proteste der kommenden Jahre richteten sich gegen die Gewalt, aber auch die strukturelle Benachteiligung der Schwarzen.