Ein Jahr nach Charlottesville : Rechts wird Mainstream
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Amerikas Präsident Donald Trump Bild: AFP
Auf den ersten Blick sind die Rechtsradikalen in Amerika ein Jahr nach der Gewalt in Charlottesville geschwächt. Doch unter Trump können sie ihre Ansichten erfolgreich in die politische Debatte einspeisen – und gewinnen bei den Republikanern an Einfluss.
Heather Heyer wollte gegen Rassismus protestieren – vor einem Jahr starb sie, als James Fields jr. mit seinem Wagen in die Gegendemonstranten in Charlottesville raste. Rechtsradikale hatten mit einem abendlichen Fackelzug gegen den Abbau einer Statue des Konföderierten-Generals Robert E. Lee protestiert und für den folgenden Tag zu einem Marsch mit dem Namen „Unite the Right“ aufgerufen. Mit Fackeln und Sprechchören wie „Jew will not replace us“ zogen sie durch die Stadt in Virginia. In einer Parkgarage schlugen mehrere Männer den Afroamerikaner DeAndre Harris mit Baseballschlägern krankenhausreif.
Dass die Täter Monate später vor Gericht landeten, war nur der Initiative von Aktivisten zu verdanken, die mit Fotos im Internet nach ihnen suchten. In den Tagen nach Charlottesville sorgte Donald Trump für Ärger, indem er die Gewalt als von „beiden Seiten“ verursacht bezeichnete und behauptete, auf beiden Seiten gebe es „feine Menschen“.
Aus Anlass des Jahrestages sandte Trump diesmal eine Botschaft via Twitter, die weniger kontrovers klingen sollte, aber seinen rechten Fans doch genug Spielraum für Identifikation ließ. Der Präsident schrieb: „Die Unruhen in Charlottesville vor einem Jahr führten zu sinnlosem Tod und Spaltung. Wir müssen als eine Nation zusammenkommen. Ich verdamme alle Arten von Rassismus und alle Gewalttaten. Frieden für ALLE Amerikaner!“ Trump nannte die Rechten abermals nicht als Urheber der Gewalt. Und da viele von ihnen behaupten, es gebe ebenso ein Problem mit „Rassismus gegen Weiße“ der bis zu einem „Genozid an Weißen“ gehen könne, können sie sich in seiner Formulierung wiedererkennen. Trumps Friedensappell kann ebenfalls die rechten Marschierer einschließen – viele ihrer Hassobjekte sind wiederum keine Amerikaner.
Jason Kessler, Organisator des rechten Aufmarsches in Charlottesville im vergangenen Jahr, kündigte für diesen Sonntag eine Demonstration in Washington an, die er einen Marsch für „weiße Bürgerrechte“ und „Unite the Right 2“nennt. Proteste gegen die Rechtsradikalen sind in der Hauptstadt und in Charlottesville geplant.
Rechte in der Defensive?
Zur Neonazi-Demo in Washington werden nur etwa 200 Teilnehmer erwartet. Auf den ersten Blick hat die extreme Rechte seit den Gewalttaten von Charlottesville an Boden verloren. Es gab keine großen Massenaufmärsche – kleinere Demonstrationen trafen oft auf zahlenmäßig überlegene Gegendemonstrationen oder wurden in letzter Minute abgesagt. Die Rechtsradikalen machen eher durch einzelne kleine Aktionen auf sich aufmerksam – jüngst entrollten sie in einem New Yorker Park ein rassistisches Transparent und sorgten damit für eine Presseaufmerksamkeit, die vor allem die Seltenheit solcher Vorfälle in der Stadt unterstrich. Einer neuen Studie zufolge gibt es allerdings einen Anstieg an rassistisch motivierten Gewalttaten durch Einzelpersonen im ganzen Land.
Viele Protagonisten der radikalen Rechten hatten ein hartes Jahr: Jason Kessler wurde praktisch aus Charlottesville herausgejagt und hat nun ein Gerichtsverfahren am Hals, Neonazi-Führer Richard Spencer beklagte sich jüngst, Märsche machten wegen der Antifa keinen Spaß mehr, und Matthew Heimbach von der „Traditionalist Workers Party“ steht wegen häuslicher Gewalt vor Gericht. Rechte Medien wie der „Daily Stormer“ und „Infowars“ des Verschwörungstheoretikers Alex Jones haben Schwierigkeiten mit ihren Seitenbetreibern, und Facebook und Twitter sperren öfter Accounts von Neonazis.
Doch die gewaltbereiten Rechtsradikalen sind nur eine Gruppe im rechten Spektrum. Viele ihrer Ansichten vertreten auch Anhänger der so genannten „Alt-Right“. Die wiederum legte stets Wert darauf, nicht mit Charlottesville-Organisator Jason Kessler oder dem ehemaligen Ku-Klux-Klan-Chef David Duke in einen Topf geworfen zu werden. Davon erhofft man sich auch Akzeptanz in der breiten Bevölkerung. Wie die Marschierer in Charlottesville sind viele in der „Alt-Right“ für eine deutlich stärkere Beschränkung von Einwanderung und äußern Vorstellungen einer Überlegenheit von Weißen, oft auch von Männern. Anders als die Rechtsradikalen von „Unite the Right“ lehnen viele aber Nazisymbole ab.
Wie groß die „Alt-Right“ ist, weiß niemand – aber ihre Protagonisten haben Hunderttausende Follower bei Twitter. Diese bilden eher ein loses, themenbezogenes Netzwerk – gemeinsamer Nenner ist für viele die Loyalität zu Donald Trump. Trumps Ex-Chefstratege Steve Bannon rief sein Magazin „Breitbart“ einst zum Sprachrohr dieser Strömung aus. Doch auch die „Alt-Right“ schien in letzter Zeit an Boden zu verlieren: untereinander sind viele ihrer Propagandisten zerstritten und Bannon, der die Verbindung zwischen Trump und der rechten Basis hielt, verlor seine Position im Weißen Haus.