Trumps Außenpolitik : Amerika über alles
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„Amerika zuerst“: Donald Trump hält in Washington seine außenpolitische Grundsatzrede Bild: Reuters
Die Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner ist Donald Trump kaum noch zu nehmen. Wie er mit seiner außenpolitischen Agenda, Amerikas Interessen zum obersten Maßstab zu machen, die Wähler verführt. Eine Analyse.
Nach der jüngsten Vorwahlrunde ist der Immobilienmilliardär Donald Trump dem Ziel wieder ein gutes Stück näher gekommen, der Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei zu werden. Es ist nicht unumstößlich, aber viel wahrscheinlicher als die Möglichkeit, dass ihm einer seiner beiden Rivalen auf den verbliebenen Etappen noch die Nominierung wegschnappt.

Redakteur in der Politik.
Viel wird darüber geredet und geschrieben (und phantasiert), ob auf dem Nominierungsparteitag Mitte Juli der Zieleinlauf gekippt werden könnte, um einen vermeintlich aussichtsreicheren und weniger polarisierenden Kandidaten auf den Schild zu heben.
Doch das wäre ein demokratiepolitisches Fiasko und würde an den Kalamitäten der Republikaner nichts ändern, sondern ihre Zerrissenheit noch potenzieren; unabhängig davon, wie Trumps Chancen gegen die mutmaßliche demokratische Gegnerin, die frühere Außenministerin Hillary Clinton, beurteilt werden. Man sollte übrigens nicht zu viel auf Prognosen in einem Jahr geben, in dem sich Politprofis wieder und wieder geirrt haben.
Apropos Zerrissenheit: Bei den fünf Vorwahlen am vergangenen Dienstag hatte Trump die Nase jeweils weit vorn. In zwei Bundesstaaten stimmten mehr als sechzig Prozent der republikanischen Vorwähler für ihn, in drei mehr als fünfzig Prozent. Beim aktivierten Vorwahlpublikum kommt die „Botschaft“ des Populisten, der alles andere als ein klassischer Konservativer ist, offenkundig gut an.
So funktionieren die Vorwahlen in Amerika

Warum gibt es überhaupt Vorwahlen?
Wie funktioniert ein „Caucus“?
Ein „Caucus“ ist eine Wahlversammlung auf Bundesstaatsebene, deren Teilnehmer über die Kandidaten diskutieren und schließlich abstimmen. „Caucuses“ werden oft als besonders demokratisch gelobt, da es einen direkten Austausch der Wähler über die Kandidaten gibt. Als Nachteil wird genannt, dass die Versammlungen oft an Arbeitstagen stattfinden und lange dauern – und damit in der Regel nur solche Wähler kommen, die ohnehin politisch engagiert sind. In der Vergangenheit war die Beteiligung an den „Caucuses“ deshalb oft geringer als an den „Primaries“. Sowohl die Demokraten als auch die Republikaner veranstalten in diesem Jahr 17 solcher Versammlungen.
Um in den Vereinigten Staaten wählen zu können – und auch, um an den Vorwahlen teilnehmen zu können – müssen sich die Wahlberechtigten bei den Behörden ihres Bundesstaates registrieren lassen. In einigen Staaten müssen sie dabei ihre Parteipräferenz angeben, werden also als Demokrat, Republikaner oder Unabhängiger geführt. An einem geschlossenen „Caucus“ dürfen nur registrierte Wähler der jeweiligen Partei teilnehmen. An einem offenen „Caucus“ dürfen auch registrierte Wähler der jeweils anderen Partei sowie Unabhängige teilnehmen – allerdings darf jeder Wähler nur zu einem „Caucus“. Welches Prozedere angewendet wird, entscheidet die Partei des jeweiligen Bundesstaates.
Was ist eine „Primary“?
Die „Primaries“ sind ähnlich organisiert wie die Präsidentschaftswahlen. Jeder Bundesstaat legt ein Datum fest, an dem die Wähler in ihrem Wahllokal abstimmen können. Der Bundesstaat organisiert auch die Auszählung der Stimmen. Beide Parteien tendierten in den vergangen Jahrzehnten zu „Primaries“, da sie diese im Gegensatz zu den „Caucuses“ nicht selbst organisieren und finanzieren müssen.
Auch bei den „Primaries“ gibt es mehrere Varianten. Bei geschlossenen „Primaries“ dürfen nur die registrierten Wähler einer Partei abstimmen. Unabhängige Wähler dürfen nicht teilnehmen. Bei halboffenen „Primaries“ können sich Unabhängige bei einer der beiden Parteien beteiligen. In einer offenen „Primary“ darf sich jeder Wähler an der Abstimmung der Partei seiner Wahl beteiligen. Welche Form genutzt wird, entscheidet der Bundesstaa.
In diesem Jahr finden 40 „Primaries“ statt. Zusammen mit den „Caucuses“, kommt man auf 57 Wahlen, obwohl Amerika nur 50 Bundesstaaten hat. Das kommt daher, dass auch im District of Columbia abgestimmt wird, die Briefstimmen von amerikanischen Bürgern im Ausland als eigene Wahl zählen und auch die Bürger in den Überseeterritorien der Vereinigten Staaten, Amerikanisch Samoa, Guam, Nördliche Marianen, Jungferninseln und Puerto Rico, über die Kandidaten der Parteien abstimmen – obwohl sie nicht an der eigentlichen Präsidentenwahl teilnehmen dürfen.
Nach welchem Prinzip werden die Delegiertenstimmen verteilt?
In den Vorwahlen der Demokraten gilt das Verhältnisprinzip, ein Kandidat bekommt für den Parteikongress also die Anzahl an Delegiertenstimmen zuerkannt, die der Prozentzahl seiner Wählerstimmen entspricht. Erhält ein Kandidat 60 Prozent der Wählerstimmen, bekommt er auch 60 Prozent der Delegiertenstimmen des jeweiligen Bundesstaats. In fast allen Staaten gibt es dabei ein Hürde: Ein Kandidat bekommt nur Delegierte zugesprochen, wenn er eine bestimmte Prozentzahl – meist 15 Prozent – der Wählerstimmen erringen konnte.
Die Republikaner verfahren in vielen Bundesstaaten ebenfalls nach diesem System. In einigen ist es jedoch möglich, dass der Kandidat mit den meisten Stimmen alle Delegierten erhält. In anderen Staaten bekommt ein Kandidat sämtliche Wahlmänner zugesprochen, wenn er mehr als 50 Prozent der Wählerstimmen erhält.
Wie viele Delegierte gibt es pro Bundesstaat?
Die Parteien legen fest, wie viele Delegierte ein Staat zum Nominierungsparteitag entsenden darf. Bei den Demokraten beruht die Anzahl auf zwei Faktoren: Zum einen darauf, wie viele Stimmen der demokratische Präsidentschaftskandidat der vergangenen drei Wahlen aus dem jeweiligen Staat bekommen hat und zum anderen darauf, wie viele Wahlmänner der Staat ins Gremium zur Wahl des Präsidenten schickt.
Die Republikaner bestimmen je Wahlbezirk drei Delegierte. Hinzu kommen für jeden Staat mindestens zehn weitere – abhängig unter anderem davon, ob der Staat einen republikanischen Gouverneur hat, eine republikanische Mehrheit im Staatsparlament und wie viele republikanische Abgeordnete im Kongress in Washington.
In Iowa zum Beispiel, dem Staat, in dem die Vorwahlen beginnen, wählen die Demokraten 44 Delegierte, die Republikaner 30. Die wenigsten Delegierten gibt es bei den Demokraten in Amerikanisch Samoa mit vier, bei den Republikanern haben alle Überseeterritorien bis auf Guam neun Delegierte. Die meisten Delegierten bringt in beiden Parteien das bevölkerungsreiche Kalifornien ein. Die Republikaner vergeben dort 172 Stimmen und die Demokraten 476.
Was wird von den Delegierten erwartet?
Wie viele Delegiertenstimmen brauchen die Kandidaten?
Diese (Zorn-)Wähler fühlen sich von Trumps Parole der Rückkehr zu vergangener Größe angesprochen; sie, die Enttäuschten und mit den Weltläuften Hadernden, wähnen sich ernst genommen. Es ist kein Zufall, dass besonders in Gegenden, die besonders gegen internationale Konkurrenz zu kämpfen haben und in denen industrielle Arbeitsplätze rar geworden sind, die politische Radikalisierung zugenommen hat und die Zustimmung für Trump groß ist.
Vieles ist unausgegoren
Das findet übrigens eine Entsprechung auf der Linken der Demokraten. Wenn Trump also seine Außenpolitik unter das Motto stellt „Amerika zuerst“, mag das für außenpolitische Fachleute einfach klingen und den in einer komplizierten Welt wahrzunehmenden Interessen des Landes nicht gerecht werden. Für Trump-Wähler ist das genau richtig: Jetzt sind wir an der Reihe und nicht mehr die – wobei die alle möglichen Leute und Staaten sein können, China zum Beispiel oder auch Amerikas reiche Verbündete in Europa und in Asien.
Die Verbündeten werden Trumps Rede über Außenpolitik genau studieren, um herauszufinden, was sie im worst case zu erwarten hätten. Natürlich werden sie auf viele Widersprüche und Ungereimtheiten stoßen.
Vorwahlen in Amerika : Trump will „Amerika zuerst"
Vieles ist erschreckend unausgegoren; die Kritik an der Außenpolitik der Präsidenten Bush und Obama ist ätzend. Deren Politik wird von Trump wahlweise als komplettes und totales Desaster oder als dumm und arrogant denunziert wird.
Manches kommt einem dennoch bekannt vor. Zwar gleicht die Kritik an Obama einer Abrechnung. Etwa die scharfe Kritik an der vermeintlichen Untreue arabischen Regimen gegenüber, die in der Vergangenheit zu Amerikas Sicherheitsklienten gehörten und sich heute vernachlässigt fühlen.
Viele Amerikaner sind auf „Washington“ schlecht zu sprechen
Wenn Trump die Nato-Partner zur Kasse bitten will, um so die Vereinigten Staaten zu entlasten, dann mag ihm das Wesen einer Allianz nicht klar sein. Aber es war Obama, der neulich den Europäern eine Trittbrettfahrer-Mentalität unterstellte und sie noch zu Wochenbeginn aufgefordert hat, mehr in Verteidigung zu investieren, sprich: eine größere Last zu tragen.
Die historischen Vorläufer des „Amerika zuerst“ einmal beiseite gelassen – Obama trat das Präsidentenamt an mit dem Versprechen, „Nation-building“ nicht sonst wo betreiben zu wollen, sondern in Amerika! Dass viele Amerikaner davon nichts gespürt haben, sondern vielmehr von Krisen durchgeschüttelt wurden, ist eine der Erklärungen, warum sie auf „Washington“ so schlecht zu sprechen sind und warum sie ihre Hoffnung auf den Außenseiter Trump setzen, so als könne der Amerikas Rolle rückwärts anordnen.
Auch unter Trump würde Neoisolationismus nicht triumphieren
Zu Beginn dieser Wahlsaison herrschte die Ansicht vor, Obamas Nachfolger werde das internationale Engagement der Vereinigten Staaten verstärken. Bis auf Hillary Clinton sind die Personen, die mit dieser Erwartung verbunden wurden, in der Versenkung verschwunden. Mittlerweile deutet der Zeiger eher auf „Rückzug“. Würde unter einem Präsidenten Trump der Neoisolationismus triumphieren? Das ist kaum vorstellbar.
Sein Ton in der Handelspolitik allerdings ist unmissverständlich ruppig, protektionistisch. Amerikas Partner müssten sich auf einiges gefasst machen, manche autoritäre Regime könnten sich umgarnt fühlen. Eines hätte Trump schnell zu lernen. Als Präsident könnte der Unternehmer nicht nach dem Führerprinzip regieren.