Geisteszustand des Präsidenten : Ist Donald Trump verrückt?
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Der Psychiater Allen Frances etwa argumentiert, dass nicht Trump verrückt sei, sondern die Gesellschaft, die ihn hervorgebracht hat: „Trump verrückt zu nennen, erlaubt uns, uns nicht mit der Verrücktheit unserer eigenen Gesellschaft befassen zu müssen“, schreibt Frances in seinem neuen Buch „Twilight of American Sanity“ (etwa: „Das Zwielicht amerikanischer Normalität/Gesundheit“). Die Argumentation hat einiges für sich: Rassismus ist in dem Sinne „krank“. Die ethische Leere der republikanischen Partei, die einen bekennenden Sexisten an die Macht gebracht hat und in der viele die bloße Tatsache eines schwarzen Präsidenten rächen wollten, kann man als „krank“ bezeichnen. Ein System, das sich Hunderttausende obdachlose Kinder und drogenabhängige Bürger leistet und das Schwarze überproportional häufig für die kleinsten Vergehen einsperrt, ist nicht „gesund“. Das schließt nicht aus, dass der Präsident eine Persönlichkeitsstörung haben könnte – es lenkt aber den Blick weg von den Ferndiagnosen auf individueller Ebene.
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Donald Trump ist aufgrund einer Entscheidung der republikanischen Partei und vieler Wähler an die Macht gekommen. Dass man ihn mittels medizinischer Diagnosen loswerden könnte, ist nicht nur sehr unwahrscheinlich, es ist aus Sicht vieler seiner Gegner auch gar nicht wünschenswert. Statt über den Geisteszustand des Präsidenten zu spekulieren, wollen viele ihn lieber politisch besiegen – und wenn es die gesamte Amtszeit dauert. „Man würde der Demokratie und der medizinischen Zunft einen Bärendienst erweisen, wenn man eine politische Entscheidung auf dieser Ebene jemals als medizinisches Urteil ausgibt“, schrieben die Psychiater Peter D. Kramer und Sally L. Satel vor kurzem in der Zeitung „New York Times“. Und sie fragten: „Haben die Leute etwa nicht das Recht, einen ausgesprochenen Narzissten zu ihrem Präsidenten zu wählen?“
Trumps wohl dokumentierte Lügen, seine herabwürdigenden Aggressionen gegenüber Kritikern, sein offensichtlicher Sexismus und Rassismus, all das ist für viele seiner Anhänger in Ordnung, weil sie selbst so denken. Und es gilt einigen als Teil von Trumps Mission, das Establishment in Washington aufzumischen. Die Republikaner in der Regierung und im Kongress entschuldigen Trumps Verhalten unterdessen mal als impulsiv, mal als unerfahren und versuchen vor allem, ihre eigenen Ziele mit diesem Präsidenten durchzusetzen. Solange sie glauben, dass ihnen das gelingen kann, wird es auch keinen ernsthaften Versuch eines Amtsenthebungsverfahrens geben – sei es eine Prozedur nach dem 25. Verfassungszusatz oder ein Impeachment-Verfahren aus anderen Gründen. So lange die Republikaner es wollen, wird Trump also ihr Präsident bleiben – dass die Demokraten ihn allein des Amtes entheben könnten, ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongress fast ebenso unwahrscheinlich.
Es mag wichtig sein, auf problematische Persönlichkeitsanteile des Präsidenten hinzuweisen – seine Gegner müssen sich aber in erster Linie mit Trumps aus ihrer Sicht problematischen politischen Entscheidungen auseinandersetzen. Eine vorzeitige Amtsenthebung ist dabei eher eine ablenkende Phantasie.