Amerika nach Orlando : Trump will die Amerikaner in Angst vereinen
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Schürt Hass: Donald Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Texas Bild: AP
Nach den Anschlägen treibt Trump seinen Keil tiefer zwischen Elite und Politik. Und übertritt dabei Grenzen seiner eigenen Partei.
Aus dem zynischen Blickwinkel der Wahlkampftaktik hat Donald Trump am vorigen Sonntag eine Chance vergeben. Nach einer Woche, in der sogar „Speaker“ Paul Ryan als ranghöchster Republikaner dem Präsidentschaftskandidaten seiner Partei „Rassismus aus dem Lehrbuch“ vorgeworfen hatte, bot das Massaker von Orlando Trump Gelegenheit zur großen Geste. Er hätte zum Beispiel an seinen Hochhäusern riesige amerikanische Flaggen aufhängen können. Oder er hätte sein Motto leicht abwandeln und sich mit präsidialer Gravitas als der Mann präsentieren können, der für Sicherheit bürgt – Make America Safe Again! Schließlich hatte Omar Mateen, selbsternannter Rächer des „Islamischen Staats“, 49 Menschen in einer Schwulenbar erschossen.

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Stattdessen folgte Trump in einem der bittersten Momente der Nation seinen Instinkten und twitterte Boshaftigkeiten. Präsident Barack Obama müsse abtreten, weil er nicht vom „radikalen Islam“ rede, schrieb Trump. Er bedankte sich für die Glückwünsche, die er nach dem Blutbad bekommen habe, weil sich seine finsteren Vorhersagen erfüllt hätten. Er schürte die Angst. Im Land hielten sich Tausende Todesschützen von Mateens „Geisteshaltung“ auf, sagte er. Sie würden von Amerikas Muslimen gedeckt: „Die Leute um sie herum, meist Muslime, wissen, wer sie sind.“
Obama und dessen Wunschnachfolgerin Hillary Clinton wollten aber weitere Terroristen ins Land lotsen. Der Flüchtlingsstrom von Syrien nach Amerika – in Wahrheit eher ein Rinnsal – sei ein „Trojanisches Pferd“. Entsprechend müsse man das Unheil hochrechnen, das der Einzeltäter Mateen in Orlando anrichtete: „Könnt ihr euch vorstellen, was sie erst in großen Gruppen machen werden, wie wir sie jetzt hereinlassen?“ Die Terroristen könnten Amerika vernichten. „Wir werden kein Land mehr haben“, unkte Trump. „Nichts, gar nichts wird noch übrig sein.“
Die Partei bleibt bei ihrem Eiertanz
Mehrmals legte der Kandidat nahe, dass Obama nicht nur zu schwach und zu dumm sein könnte, um die Apokalypse aufzuhalten, sondern dass er den Dschihad aus „politischer Korrektheit“ in Kauf nehme, wenn nicht gar aus noch dunkleren Motiven fördere. Vielleicht verstehe der Präsident die Bedrohung „besser als jeder andere“, orakelte Trump, habe aber „etwas anderes im Sinn“.
Schon früher hatte sich Trump ähnlich infam über Obamas Flüchtlingspolitik ausgelassen: „Viele Leute glauben, da stecken böse Absichten hinter.“ Der Präsident wolle das Terrorproblem nicht lösen, weil es „da etwas gibt, wovon wir nichts wissen“. So belebt Trump wieder seine liebste Verschwörungstheorie: dass Obama ein Muslim aus Afrika sei. Nach dem Anschlag von Orlando bekräftigte der Republikaner, dass der Demokrat „dem Feind Vorrang“ vor „dem amerikanischen Volk gibt“.
Trump blieb Trump. Auch seine Partei blieb bei ihrem jämmerlichen Eiertanz: Paul Ryan verurteilte die Idee eines Einreiseverbots für Muslime, konservative Kongressmitglieder rollten weiter mit den Augen oder flohen vor Reportern – aber niemand von Rang nahm seine Wahlempfehlung für Trump zurück. Umso lauter empörten sich Demokraten, dass Trump die Tragödie von Florida parteilich ausnutze. Doch das war ein Missverständnis. Trump sprach nicht als Republikaner. „Haltet einfach die Klappe“, riet er den Spitzenpolitikern seiner Partei. „Unsere Anführer müssen viel härter werden.“ Eigentlich sei die Lage zu ernst, um sie allein zu bewältigen. „Aber wisst ihr was? Ich werde dazu gezwungen sein.“